Ex­per­ten: Ös­ter­reichs Par­tei­en nah­men Ein­fluss auf Jus­tiz

In Ös­ter­reich hat es zwi­schen 2010 und 2023 po­li­ti­sche Ein­fluss­nah­men auf Er­mitt­lun­gen der Jus­tiz ge­ge­ben. Dies ist das Er­geb­nis einer Un­ter­su­chungs­kom­mis­si­on. Der An­fangs­ver­dacht habe sich be­stä­tigt, sagte Kom­mis­si­ons­lei­ter Mar­tin Kreut­ner bei der Prä­sen­ta­ti­on des Be­richts.

Die Kom­mis­si­on sprach von einer "Zwei-Klas­sen-Jus­tiz", ab­hän­gig von der Pro­mi­nenz des Ver­däch­ti­gen. Unter an­de­rem bei einer In­se­ra­ten-Af­fä­re rund um zwei Re­gie­rungs­mit­glie­der habe es "eine ein­deu­ti­ge Grenz­über­schrei­tung" ge­ge­ben, sagte der ehe­ma­li­ge Prä­si­dent des Baye­ri­schen Verf­GH Peter Küspert als Mit­glied der Kom­mis­si­on.

Die Kom­mis­si­on war nach dem Tod des Ab­tei­lungs­lei­ters Chris­ti­an Pil­nacek vom Jus­tiz­mi­nis­te­ri­um Ende 2023 ein­ge­setzt wor­den. Der hoch­ran­gi­ge Be­am­te, der als Schlüs­sel­fi­gur gilt, hatte bei einer Runde mit Be­kann­ten im Wirts­haus über Ver­su­che der re­gie­ren­den ÖVP be­rich­tet, Er­mitt­lun­gen zu be­ein­flus­sen. Die Aus­wer­tun­gen sei­ner Un­ter­la­gen führ­te nun zu dem 230-sei­ti­gen Be­richt der Kom­mis­si­on. 

Vor­sit­zen­der: Nicht nur ÖVP im Fokus

Der Kom­mis­si­ons­vor­sit­zen­de mach­te klar, dass es nicht al­lein um die kon­ser­va­ti­ve ÖVP gehe. Es gebe für das Gre­mi­um glaub­wür­di­ge Hin­wei­se, dass auch an­de­re Par­tei­en in be­stimm­ten Fäl­len auf die Jus­tiz Ein­fluss ge­nom­men hät­ten. Von Sei­ten ein­zel­ner Mit­glie­der der Staats­an­walt wie­der­um sei "So­li­da­ri­tät über Le­ga­li­tät" ge­stellt wor­den, sagte Küspert mit Blick auf par­tei­po­li­ti­sche Nahe-Ver­hält­nis­se. Es gehe nicht um das Ge­samt­sys­tem, aber um po­li­tik­na­he Fälle. Dort ver­spür­ten die Er­mitt­ler durch­aus Druck, so Kreut­ner. 

Die Wirt­schafts- und Kor­rup­ti­ons­staats­an­walt­schaft, die eine zen­tra­le Rolle bei allen Er­mitt­lun­gen in den jüngs­ten Polit-Af­fä­ren spielt, soll­te nach Er­kennt­nis­sen der Kom­mis­si­on zer­schla­gen wer­den. Für diese Be­stre­bun­gen habe es im ver­gan­ge­nen Jahr­zehnt zu un­ter­schied­li­chen Zeit­punk­ten ganz klare Hin­wei­se ge­ge­ben, sagte der Chef des Gre­mi­ums.

Die Kom­mis­si­on sprach von Seil­schaf­ten und einer zwei­fel­haf­ten Rolle ei­ni­ger Mit­glie­der des Jus­tiz­sys­tems. Es herr­sche ein "Ver­ant­wor­tungs­ne­bel", eine teils feh­len­de Di­stanz zur Po­li­tik und ein mit­un­ter stark frus­trie­ren­der In­stan­zen­zug. Ex­trem lange Ver­fah­rens­dau­ern von bis zu 15 Jah­ren seien wohl auch ein Mit­tel "zur sach­frem­den Ein­fluss­nah­me" auf Er­mitt­lun­gen ge­we­sen, hieß es.

"Die Kreut­ner-Kom­mis­si­on be­stä­tigt, dass es Ein­fluss­nah­men auf ju­ris­ti­sche Pro­zes­se gab", re­agier­te Jus­tiz­mi­nis­te­rin Alma Zadic (Grüne) in einer Stel­lung­nah­me. Zwar habe sich in jüngs­ter Zeit viel ver­bes­sert, den­noch müsse die Wi­der­stands­fä­hig­keit und Un­ab­hän­gig­keit der Jus­tiz wei­ter ge­stärkt wer­den. "Daher muss der nächs­te Schritt eine von der Po­li­tik wirk­lich un­ab­hän­gi­ge Ge­ne­ral­staats­an­walt­schaft sein", sagte die Mi­nis­te­rin.

Redaktion beck-aktuell, bw, 15. Juli 2024 (dpa).

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