NSU flog vor zehn Jahren auf: Auch Haldenwang sieht offene Fragen

Zehn Jahre nach dem Auffliegen der rechtsextremen NSU-Terrorzelle bleibt bei Angehörigen und Beobachtern Enttäuschung über ungeklärte Fragen rund um die Mordserie. In Bezug auf die Rolle des V-Mann-Führers Andreas Temme in Hessen seien viele Fragen offen geblieben, bestätigte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, am Donnerstag in Berlin. Auch das Motiv für den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter sei nicht klar.

Mandanten resignieren

"Am Ende bleibt dieses sehr, sehr unwohle Gefühl", bilanzierte Haldenwang. Temme hielt sich während der Ermordung des Kasseler Internetcafé-Betreibers Halit Yozgat 2006 in dessen Café auf, will aber nichts gesehen oder gehört haben. Die Anwältin Seda Basay-Yildiz sagte, ihre Mandanten rechneten nicht mehr mit einer lückenlosen Aufklärung, sie hätten resigniert. Dem Verfassungsschutz warf sie vor, Informationen zurückzuhalten. In seiner Behörde gebe es "keine weiteren Informationen, die den Sachverhalt in ein neues Licht rücken", beteuerte Haldenwang. Basay-Yildiz hatte im Münchner NSU-Prozess als Nebenklageanwältin Angehörige des ersten Mordopfers der Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) vertreten. Der Blumenhändler Enver Simsek aus Schlüchtern im Main-Kinzig-Kreis war im Jahr 2000 in Nürnberg erschossen worden.

Lebenslange Haft bei besonderer Schwere der Schuld

Die im Prozess verurteilte Beate Zschäpe hatte mit ihren Freunden Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt fast 14 Jahre im Untergrund gelebt. In dieser Zeit ermordeten die Männer acht türkischstämmige und einen griechischstämmigen Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. Am 04.11.2011 nahmen sie sich das Leben, um nach einem Bankraub der drohenden Festnahme zu entgehen. Zschäpe zündete die gemeinsame Wohnung an, verschickte ein Bekennervideo und stellte sich. 2018 verurteilte das Oberlandesgericht München Zschäpe, die einzige Überlebende des Neonazi-Trios, als Mittäterin zu lebenslanger Haft bei besonderer Schwere der Schuld.

Verfassungsschutz-Präsident sieht keine Gefahr für Wiederholung

Haldenwang zeigte sich zuversichtlich, dass sich so etwas wie die NSU-Mordserie mit den heutigen Methoden und Arbeitsweisen der Sicherheitsbehörden nicht wiederholen könne. Die verschiedenen Behörden in Bund und Ländern "saßen zum Teil auf den ihnen vorliegenden Informationen", daher seien Verbindungen damals nicht erkannt worden. Die Ermittlungen zu den Morden drehten sich zunächst um mögliche Bezüge ins Drogen-Milieu oder zur Organisierten Kriminalität. Auch Angehörige der Mordopfer wurden verdächtigt.

Redaktion beck-aktuell, 15. Oktober 2021 (dpa).