Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde den Verfolgten – insbesondere Jüdinnen und Juden – vielfach ihr Hab und Gut durch Zwangsverkäufe, Beschlagnahmen oder Plünderungen geraubt. Insbesondere befanden sich unter den entzogenen Vermögenswerten auch Kulturgüter. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur erleichterten Durchsetzung der Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut" (20/13258) soll nun dabei helfen, solche Kulturgüter wieder ihren ursprünglichen Eigentümern zuzuführen. Doch Sachverständige haben den Entwurf bei einer Anhörung des Kulturausschusses am Montag streng kritisiert: Er habe so gut wie keinen Anwendungsbereich und wichtige Prinzipien des Sachenrechts nicht bedacht.
Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass die ursprünglichen Eigentümer von Kulturgütern oder deren Erben einen Auskunftsanspruch gegenüber Verkäufern und Händlern haben sollen. Das wird durch eine Änderung im Kulturgutschutzgesetz erreicht. Zudem soll es eine neue Schiedsgerichtsbarkeit für NS-Raubgut geben. Opfer des NS-Regimes sollen im Rahmen des Schiedsverfahrens deutliche Beweiserleichterungen enthalten. Eine konkrete Regelung hierfür liegt allerdings noch nicht vor.
Vor allem aber soll das Leistungsverweigerungsrecht bei Verjährung des Herausgabeanspruchs von Kulturgut modifiziert werden. Zur Verweigerung der Leistung soll zukünftig nur berechtigt sein, "wer den Besitz in gutem Glauben erworben hat". Für NS-Raubkunst soll dies auch gelten, wenn die Verjährungsfrist bereits abgelaufen ist. So soll es den Eigentümern ermöglicht werden, ihren Herausgabeanspruch nach § 985 BGB gerichtlich geltend zu machen, auch wenn dieser verjährt ist.
Sachverständige üben Kritik: "Sinnloser Etikettenschwindel"
Bei den Sachverständigen im Kulturausschuss kam der Entwurf am Montag gar nicht gut an. Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des BVerfG und Vorsitzender der Beratenden Kommission NS-Raubgut nannte das Gesetz gar einen "sinnlosen Etikettenschwindel". Neben dem Vorwurf, das geplante Gesetz bleibe weit hinter aktuellen Restitutionspraktiken zurück, äußerten die Expertinnen und Experten vor allem rechtliche Kritik.
Insbesondere habe der Entwurf die Prinzipien des Sachenrechts völlig außer Acht gelassen. So sah etwa der auf Restitutionsfragen spezialisierte Rechtsanwalt Ulf Bischof mit dem Gesetz keinen neuen Anspruch geschaffen. Im Wege der Ersitzung oder des gutgläubigen Erwerbs erworbenes Eigentum bleibe auf Anspruchsgegnerseite unangetastet.
Auch Christina Berking von der Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandel teilte die Kritik mehrerer Sachverständiger, das Gesetz habe so gut wie keinen Anwendungsbereich. Weil es den gutgläubigen Erwerb gebe, könnten die Opfer in der Regel nicht die Herausgabe verlangen.
Daniel Botmann vom Zentralrat der Juden in Deutschland verwies zudem darauf, dass die Frage der Ersitzung nach § 937 BGB unverändert belassen bleibe. In der Realität führe dies dazu, "dass der Eigentümer seinen Anspruch auf Restitution kaum durchsetzen kann". Die Eingrenzung des Leistungsverweigerungsrechts sei nur sinnvoll, wenn auch die Ersitzung rückwirkend aufgehoben werde, waren sich die Sachverständigen einig. Andernfalls bleibe sie wirkungslos.
Statt Schiedsgerichtsbarkeit ein Restitutionsgesetz
Aus den Reihen der Sachverständigen wie auch der Abgeordneten gab es Kritik an dem geplanten Schiedsgericht für NS-Raubgut. Da hier eine konkrete Regelung noch immer nicht vorliege, könne dazu nicht Stellung genommen werden, sagte etwa Bischof. Es sei außerdem fraglich, ob die Schiedsgerichtsbarkeit eine Verbesserung für die Opfer darstelle, sagte auch Papier. Ein Schiedsgericht bräuchte man nicht, wenn es ein echtes Restitutionsgesetz gebe. Ein solches forderten die Sachverständigen einhellig.
Private Eigentümer von Kulturobjekten könnten nicht gezwungen werden, im Rahmen eines Schiedsverfahrens Restitutionsansprüche prüfen zu lassen oder gar eine Entscheidung eines Schiedsgerichts anzuerkennen, kritisierte Daniel Botmann vom Zentralrat der Juden in Deutschland. "Dieses Problem könnte nur durch eine gesetzliche Regelung gelöst werden", sagte er.