NRV kritisiert Entscheidung des AG Weimar gegen Maskenpflicht

Richterliche Unabhängigkeit ist ein hohes Gut und deswegen verbietet es sich für richterliche Interessenverbände in der Regel, richterliche Entscheidungen in der Sache zu bewerten. Der Beschluss, mit dem das Familiengericht Weimar Lehrern und Schulleitungen untersagt hat, eine Maskenpflicht für Schüler durchzusetzen, Mindestabstände vorzugeben und Schnell-Tests durchzuführen, überschreitet aus der Perspektive der Neuen Richtervereinigung allerdings das Maß des noch Hinnehmbaren.

Neue Richtervereinigung: Weimarer Entscheidung juristisch unhaltbar

Die Neue Richtervereinigung hält die Entscheidung für juristisch unhaltbar. Die Entscheidung verkenne ganz grundsätzliche rechtliche Vorschriften und leugne zudem wesentliche Erkenntnisse der Wissenschaft. Das Familiengericht sei schon nicht zuständig und deswegen in keiner Weise befugt, eine solche Anordnung zu erlassen. Anordnungen der Schulverwaltung zu Hygienekonzepten an einer Schule unterlägen allein der Nachprüfung durch die Verwaltungsgerichte. Es seien Maßnahmen, die im Verhältnis des Staates (hier der Schulverwaltung) zu seinen Bürgern (hier Eltern und Schüler) getroffen werden. Für die Überprüfung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen seien allein die Verwaltungsgerichte zuständig.

Konstruierte Zuständigkeit - Schwere handwerkliche Fehler

Das Amtsgericht Weimar sei der Auffassung, es sei aufgrund des Gleichheitssatzes verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, solche Fragen den Verwaltungsgerichten zu überlassen, weil es dann davon abhinge, ob jemand einen Antrag stelle oder nicht. Es meint, dies verkenne die grundlegende Gerichtsverfassung der Bundesrepublik - und sei in sich widersprüchlich, weil auch das familiengerichtliche Verfahren auf "Anregung" einer Mutter zustande gekommen und daher von Amts wegen eingeleitet worden sei. Mit dieser Argumentation werde auf Biegen und Brechen eine Zuständigkeit konstruiert, der man allzu deutlich das persönliche Anliegen anmerke, sich zur Maskenpflicht in Schulen schlagkräftig zu äußern. Noch dazu werde - wo in der Hauptsache die Einholung eines Sachverständigengutachtens zwingend geboten wäre - die eigene "Kenntnis" einer fachfremden Materie gegen die ganz herrschende wissenschaftliche Meinung gesetzt. Das seien schwere handwerkliche Fehler- so dürfe man als Gericht nicht arbeiten.

Entscheidungsgründe basieren auf Wissenschaftsleugnung

Auch in der Bewertung einer möglichen Kindeswohlgefährdung geht die Entscheidung an grundlegenden Erkenntnissen vorbei, so die NRV weiter. Eine Kindeswohlgefährdung im Rahmen des § 1666 BGB sei auch bei allem Respekt vor abweichenden Meinungen mit diesem Sachverhalt nicht zu begründen. Hier scheine sich eher die Systematik der Wissenschaftsleugnung breit zu machen, als eine vernünftige Auseinandersetzung mit den medizinischen oder psychologischen Fragen: Die Auffassung von Pseudoexperten mit Minderheitsmeinungen werde als wissenschaftliche Erkenntnis dargestellt. Man folge letztlich sogenannten Verschwörungstheorien, so dass die Entscheidung eher als Paradestück einer corona-zentrierten Wissenschaftsleugnung erscheine denn als Zeichen einer vermeintlich streitbaren juristischen Haltung.

NRV warnt vor Klageaufrufen aus "Netzwerk kritischer Richter und Staatsanwälte"

Die NRV hat bereits in der vergangenen Woche zur Kenntnis genommen, dass ein "Netzwerk kritischer Richter und Staatsanwälte" im Internet dazu auffordert, Familiengerichte mit Anträgen auf Schulschließungen anzurufen und die Situation diskutiert. "Wir sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass derartige Verfahren von den Familiengerichten nicht einzuleiten sind: Sie sind erstens nicht zuständig, zweitens droht Kindern von den beschriebenen Maßnahmen der Schulen keine Gefahr." Natürlich sei der Beschluss, wie andere gerichtliche Entscheidungen auch, in verfassungsrechtlicher Unabhängigkeit getroffen worden. Das bedeute, dass mit der Entscheidung im rechtsstaatlichen System umgegangen werden müsse. Dafür gebe es Rechtsmittel.

Redaktion beck-aktuell, 13. April 2021.