NRV: Keine Corona-Warn-App ohne gesetzliche Absicherung

Anlässlich der bevorstehenden Veröffentlichung der deutschen Corona-Warn-App hat sich die Neue Richtervereinigung e.V. (NRV) zu Wort gemeldet. Man unterstütze die Forderungen aus Opposition und Zivilgesellschaft nach einer Begleitgesetzgebung zur Corona-Warn-App, in der Umfang, Zweck und Grenzen der Datenverarbeitung geregelt und auf eine klare gesetzliche Grundlage gestützt werden, heißt es in einer Mitteilung vom 09.06.2020.

Akzeptanz der Corona-Warn-App gefährdet

Die NRV sieht in den anhaltenden und widersprüchlichen politischen Aussagen zur Freiwilligkeit einerseits und der zu erwartenden Kopplung gesellschaftlicher Teilhabe an die Nutzung der App andererseits erhebliches Potential, die Akzeptanz der Corona-Warn-App und damit ihren ohnehin umstrittenen Wert für die Bewältigung der Pandemie weiter zu gefährden. Die Bundesregierung, insbesondere Gesundheitsminister Jens Spahn, hätten stets betont, dass die Nutzung der Anwendung freiwillig sein solle. Gleichzeitig rissen aber Forderungen nach Anreizen und Privilegien für die Nutzer der App nicht ab. So habe Axel Voss, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament, im Interview mit der FAZ gefordert: "Wer eine solche App hat, sollte auch zuerst wieder ins Restaurant, ins Kino, ins Theater und ins Freibad dürfen.“

Versprochene Freiwilligkeit in Gefahr

Bereits jetzt sei fraglich, so die NRV weiter, ob angesichts der latenten Drohkulisse, die ohnehin hinter der Corona-Warn-App stehe, überhaupt von einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung ausgegangen werden könne – schließlich werde die Nutzung der Anwendung als wichtiger Beitrag zur weiteren Lockerung der pandemiebedingten Freiheitsbeschränkungen bezeichnet. Die App zusätzlich auch zur Bedingung für Zugang zu Bildung, Arbeit oder Kultur zu machen, würde die versprochene Freiwilligkeit weiter aushöhlen.

Gesetzliche Klarstellung wichtig

Solle die Nutzung der Corona-Warn-App tatsächlich ansatzweise freiwillig bleiben, dann braucht es der NRV zufolge eine gesetzliche Klarstellung, die jede Form von direkter oder mittelbarer Beeinflussung der Nutzenden ausschließt. Gleichzeitig müsse jede Form von Weiterverarbeitung oder Zweckentfremdung der Anwendung ausgeschlossen werden. Wenn Nutzende befürchten müssten, dass Versicherungen, Arbeitgeber oder auch Strafverfolgungsbehörden Zugang zu den Daten bekommen, drohe die Anwendung von einem Werkzeug zur Bewältigung der Krise zu einem Baustein einer Überwachungsinfrastruktur zu werden.

NRV mahnt Achtung rechtsstaatlicher Grundsätze trotz Pandemie an

Für die NRV ist die Corona-Pandemie eine historisch einmalige Herausforderung, die aber keinen Grund darstellt, rechtsstaatliche Grundsätze schleifen zu lassen. Die Schaffung einer technischen Infrastruktur zur Nachverfolgung alltäglicher Begegnungen potentiell aller Menschen in Deutschland verlange nach strengsten rechtlichen Schranken. Der derzeitige Schlingerkurs rund um die Freiwilligkeit und die Einwilligung werde dem nicht gerecht.

Redaktion beck-aktuell, 10. Juni 2020.