Neue Richtervereinigung fordert Fluchthilfe für afghanische Justizpersonen

Die Neue Richtervereinigung (NRV) ruft die Bundesregierung dringend auf, allen bei deutschen Stellen und Einsatzkräften hilfesuchenden afghanischen Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten die sofortige Flucht aus Afghanistan zu ermöglichen. Viele afghanische Beschäftigte in der Justiz und deren Familien, die in den letzten 20 Jahren ihren Beitrag zum Aufbau einer rechtstaatlichen und demokratischen Gesellschaft geleistet haben, seien jetzt in akuter Lebensgefahr.

Justiz als Zielscheibe der totalitären Herrschaft der Taliban

Bereits zu Beginn des ersten Talibanregimes war die Justiz sofort Zielscheibe der totalitären Herrschaft der Taliban, erinnert die NRV. Nun seien alle, die Taliban verurteilt beziehungsweise angeklagt haben, in akuter Lebensgefahr. Zwei Richter seien bereits im Januar exekutiert worden. In einer besonders verzweifelten Situation befänden sich die 250 Richterinnen des Landes (rund 11% der Richterschaft). "Uns erreichen glaubhafte Hilferufe afghanischer Richterinnen, nach denen bereits vor Ort durch Kräfte der Taliban gefahndet wird und die im Fall ihrer Ergreifung jederzeit mit der sofortigen und umstandslosen Exekution rechnen", berichtet die NRV.

NRV fordert sofortige Fluchtermöglichung für bedrohte Personen

Die NRV schloss sich daher dem Aufruf der International Association of Women Judges sowie den Appellen des Europäischen Dachverbandes MEDEL und des Berichterstatters der UN für richterliche Unabhängigkeit, García Sayan, an. Afghanische Richter und vor allem Richterinnen befänden sich in einer dramatischen Situation. Sie dürften jetzt von der Weltgemeinschaft und von Deutschland nicht schutzlos den Taliban überlassen werden. Sie müssten - zusammen mit Übersetzern und Übersetzerinnen, Journalisten und Journalistinnen, Menschenrechtsanwälten und Menschenrechtsanwältinnen und anderen bedrohten Gruppen - solange wie noch möglich Zugang zu Fluchtwegen aus Afghanistan erhalten - auch nach Deutschland. Soweit eine Flucht noch organisiert werden könne, müssten vorläufige Aufenthaltszusagen ohne Formalitäten vor Ort möglich gemacht werden. Eine Rechtsgrundlage für schnelles Handeln sehe das Aufenthaltsrecht in §§ 22, 23 Aufenthaltsgesetz vor.

Redaktion beck-aktuell, 17. August 2021.