NPD durf­te trotz Eil­an­ord­nung des BVerfG nicht in Wetz­la­rer Stadt­hal­le

Die 3. Kam­mer des Ers­ten Se­na­tes des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts hatte in einer einst­wei­li­gen An­ord­nung vom 24.03.2018 einer Stadt auf­ge­ge­ben, einer ent­spre­chen­den ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Ent­schei­dung Folge zu leis­ten und ihre Stadt­hal­le dem Stadt­ver­band der Na­tio­nal­de­mo­kra­ti­schen Par­tei Deutsch­lands (NPD) am sel­ben Tage für die Durch­füh­rung einer Wahl­kampf­ver­an­stal­tung zu über­las­sen. Die Stadt ist die­ser An­ord­nung nicht nach­ge­kom­men. Das BVerfG hat die zu­stän­di­ge Kom­mu­nal­auf­sichts­be­hör­de des­we­gen auf­ge­for­dert, den Vor­fall auf­zu­klä­ren, not­wen­di­ge auf­sichts­recht­li­che Maß­nah­men zu er­grei­fen und das Ge­richt un­ver­züg­lich davon zu un­ter­rich­ten. Der Mi­nis­ter­prä­si­dent, der Innen- und der Jus­tiz­mi­nis­ter des Lan­des sowie der Ober­bür­ger­meis­ter der Stadt sind über das Schrei­ben in­for­miert wor­den.

Stadt mo­nier­te aus­ste­hen­de Nach­wei­se über Er­fül­lung von Auf­la­gen

Die Stadt ver­wei­ger­te dem An­trag­stel­ler den Zu­gang zur Stadt­hal­le, da der An­trag­stel­ler den Nach­weis eines Ver­si­che­rungs­schut­zes und eines Sa­ni­täts­diens­tes nicht er­bracht habe, ob­wohl das Ver­wal­tungs­ge­richt die Stadt zuvor im Wege einer einst­wei­li­gen An­ord­nung zur Über­las­sung der Stadt­hal­le ver­pflich­tet hatte. Auch die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­schwer­de der Stadt hatte der Ver­wal­tungs­ge­richts­hof zu­rück­ge­wie­sen. Das Ver­wal­tungs­ge­richt droh­te der Stadt ein Zwangs­geld an, so­weit diese nicht bis um 11:00 Uhr am 23.03.2018 der Ver­pflich­tung aus der einst­wei­li­gen An­ord­nung des­sel­ben Ge­richts nach­kom­me.

Zwangs­geld fest­ge­setzt

Nach­dem die Frist ohne Be­fol­gung der An­ord­nung des Ver­wal­tungs­ge­richts ver­stri­chen war, setz­te das Ver­wal­tungs­ge­richt das an­ge­droh­te Zwangs­geld fest und droh­te er­neut ein Zwangs­geld an, falls die Stadt bis um 17:00 Uhr am 23.03.2018 der einst­wei­li­gen An­ord­nung nicht nach­ge­kom­men sei. Auch diese Frist ver­strich, ohne dass dem An­trag­stel­ler die Stadt­hal­le für die Durch­füh­rung einer Wahl­kampf­ver­an­stal­tung über­las­sen wurde. Hier­ge­gen wand­te sich die NPD mit dem An­trag auf Er­lass einer einst­wei­li­gen An­ord­nung und rügt eine Ver­let­zung ihrer Rech­te aus Art. 5 Abs. 1 Satz 18 Abs. 1 und Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG.

We­sent­li­che Er­wä­gun­gen der Kam­mer

Im Ver­fah­ren des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes nach § 32 Abs. 1 BVerf­GG seien die er­kenn­ba­ren Er­folgs­aus­sich­ten einer Ver­fas­sungs­be­schwer­de gegen die ver­wal­tungs­ge­richt­li­che Eil­ent­schei­dung zu be­rück­sich­ti­gen, wenn ein Ab­war­ten den Grund­rechts­schutz ver­ei­tel­te, er­läu­ter­te das BVerfG. Hier müss­te eine Ver­fas­sungs­be­schwer­de vor­aus­sicht­lich Er­folg haben. Der An­trag­stel­ler habe zur Durch­füh­rung einer Ver­samm­lung eine voll­zieh­ba­re ver­wal­tungs­ge­richt­li­che Ent­schei­dung er­wirkt, mit der die An­trags­geg­ne­rin des Aus­gangs­ver­fah­rens zur Über­las­sung ihrer Stadt­hal­le ver­pflich­tet wor­den sei. Wegen deren Nicht­be­fol­gung sei gegen die An­trags­geg­ne­rin des ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Ver­fah­rens über­dies be­reits ein Zwangs­geld ver­hängt wor­den. Die An­trags­geg­ne­rin ver­wei­ge­re die Be­fol­gung die­ser Ent­schei­dung mit Grün­den, die sie vor den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten ent­we­der nicht recht­zei­tig gel­tend ge­macht habe oder die von die­sen als un­er­heb­lich be­ur­teilt wor­den seien. Es sei daher ab­seh­bar, dass dies in einem Haupt­sa­che­ver­fah­ren als Ver­let­zung von Art.  8 Abs. 1 in Ver­bin­dung mit Art. 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 GG zu be­ur­tei­len wäre. Zu­gleich wür­den durch ein Ab­war­ten die Durch­füh­rung der Ver­samm­lung und damit die Wahr­neh­mung der Ver­samm­lungs­frei­heit des An­trag­stel­lers end­gül­tig ver­ei­telt.

NPD kri­ti­siert Miss­ach­tung gel­ten­den Rechts

Wetz­lars Ober­bür­ger­meis­ter Man­fred Wag­ner (SPD) sagte, es könne nicht sein, dass Ver­an­stal­ter von Abi­bäl­len und Land­frau­en­tref­fen ihre Auf­la­gen ein­hiel­ten, die NPD dies aber nicht tun müsse. "Der Ver­an­stal­ter muss die Be­din­gun­gen er­fül­len. Wenn er sie nicht er­füllt, dann kön­nen wir die Tür nicht auf­schlie­ßen." Die NPD kri­ti­sier­te, Wetz­lar setze sich in einer in "die­ser Form noch nicht da ge­we­se­nen Dreis­tig­keit über gel­ten­des Recht" hin­weg. Das NPD-Tref­fen hätte ei­gent­lich am frü­hen Nach­mit­tag be­gin­nen sol­len. Die NPD ver­leg­te es laut Po­li­zei ins etwa 15 Ki­lo­me­ter ent­fern­te Leun. Es habe am Abend in einem Pri­vat­haus ohne Zwi­schen­fäl­le statt­ge­fun­den. Wegen der dro­hen­den NPD-Ver­an­stal­tung de­mons­trier­ten am 24.03.2018 rund 1.500 Men­schen in Wetz­lar gegen Rechts­ex­tre­mis­mus und Ras­sis­mus.

Redaktion beck-aktuell, 26. März 2018.

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