Niedersächsischer Landtag beschließt Reform des Verfassungsschutzes

Der niedersächsische Landtag hat eine Reform des Verfassungsschutzes beschlossen, die der Behörde angesichts einer anhaltend hohen extremistischen Bedrohung mehr Handlungsspielraum gibt. Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von SPD und CDU wurde das neue Verfassungsschutzgesetz am 06.07.2021 in Hannover verabschiedet. Es erleichtert die Beobachtung von Minderjährigen sowie den Einsatz von V-Leuten und ermöglicht der Verfassungsschutzbehörde künftig das Einholen von Informationen zu Bankkonten und Geldströmen.

Einsatz von V-Leuten wird erleichtert

In der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und CDU in Niedersachsen war vereinbart worden, dass das Verfahren zum Einsatz von Vertrauenspersonen erleichtert wird. In der Praxis zähle der Einsatz von Vertrauenspersonen zu den effektivsten nachrichtendienstlichen Mitteln und sei zur Aufgabenerfüllung des Verfassungsschutzes unverzichtbar, erläutert der niedersächsische Landtag. Insbesondere, wenn eine kontinuierliche Informationsgewinnung über ein Verdachts- oder Beobachtungsobjekt gesichert werden soll, gebe es derzeit keine Alternative. Die Inanspruchnahme von Vertrauenspersonen solle künftig in allen Beobachtungsobjekten vorbehaltlich einer intensiven Verhältnismäßigkeitsprüfung möglich sein.

Datenübermittlung an in Präventionsarbeit tätige Einrichtungen 

In der Extremismusprävention soll die Datenübermittlung an in der Präventions- und Ausstiegsarbeit tätige Einrichtungen durch eigene Regelungen erleichtert werden. Die Prävention extremistischer Einstellungen und Handlungen könne damit sowohl in der Einzelfallbearbeitung als auch bei der Abstimmung von Sensibilisierungsmaßnahmen in Netzwerken noch effektiver gestaltet werden, so das niedersächsische Parlament.

Auskunftsanspruch nur bei Darlegung besonderen Interesses

Der Anspruch von Betroffenen, Auskunft über die beim Niedersächsischen Verfassungsschutz gegebenenfalls gespeicherten Daten zu erhalten, soll an die Regelung des Bundesverfassungsschutzgesetzes angepasst werden. Einen Anspruch auf Auskunft hat danach jede Bürgerin und jeder Bürger, soweit auf einen konkreten Sachverhalt hingewiesen und ein besonderes Interesse an einer Auskunft dargelegt wird.

Hürden für Speicherung von Daten minderjähriger Extremisten gesenkt

Außerdem sieht der Gesetzentwurf vor, dass die Hürden für die Speicherung von Daten minderjähriger Extremisten ab dem 14. Lebensjahr gesenkt werden sollen. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Radikalisierungen teilweise bereits im jungen Alter Auswirkungen zeigen. So soll der Niedersächsische Verfassungsschutz noch besser in die Lage versetzt werden, seiner Aufgabe der Vorfeldaufklärung und Strukturerkennung auch im Fall von radikalisierten Minderjährigen nachzukommen. Eine altersunabhängige Beobachtung lehnt der Landtag ab. Der Entwurf orientiere sich vielmehr an der strafrechtlichen Schuldfähigkeit, die mit Vollendung des 14. Lebensjahres beginnt. Eine Speicherung vor diesem Mindestalter soll auch zukünftig nicht zulässig sein.

Landesrechtliche Umsetzung der Kontostammdatenabfrage

Durch die landesrechtliche Umsetzung der auf Bundesebene bereits eingeführten Kontostammdatenabfrage würde diese künftig auch dem Niedersächsischen Verfassungsschutz ermöglicht. "So würde es künftig auch in Niedersachsen einfacher, die finanzielle Ausstattung extremistischer Organisationen zu ermitteln und einzuschätzen", sagte dazu Niedersachsens Verfassungsschutzpräsident Bernhard Witthaut.

Redaktion beck-aktuell, 7. Juli 2021 (ergänzt durch Material der dpa).