Niedersachsen führt Videodolmetschen im Justizvollzug ein

Im niedersächsischen Justizvollzug werden künftig Videodolmetscher eingesetzt. Per gesicherter Internet-Verbindung wird ein Dolmetscher zugeschaltet, wenn er in einer Haftanstalt benötigt wird. Hintergrund ist nach Mitteilung des Niedersächsischen Justizministeriums vom 26.04.2019, dass es immer schwieriger werde, flexibel und zügig geeignete Dolmetscher für die vielen Sprachen zu finden, die in den 13 Justizvollzugseinrichtungen des Landes mit insgesamt 23 Liegenschaften des geschlossenen Vollzuges gesprochen werden.

Probleme vor allem bei Übersetzung von Sprachdialekten

Der Anteil ausländischer Inhaftierter sei gestiegen – von etwa einem Viertel im Jahr 2014 auf aktuell rund ein Drittel. Zum Stichtag 28.02.2019 seien Personen aus 89 unterschiedlichen Staaten in Niedersachsen inhaftiert gewesen. Die gesprochenen Sprachen würden von Englisch, Französisch und Spanisch über die Sprachfamilien des Balkan und des eurasischen sowie vorderasiatischen Raumes bis hin zu den Dialekten Nord- und Südafrikas reichen. Insbesondere Dolmetscher für die zahlreichen Sprachdialekte könnten oft nicht kurzfristig in den Hafteinrichtungen erscheinen.

Technik soll vor allem für Erstgespräch eingesetzt werden

Das Videodolmetschen soll insbesondere eingesetzt werden, wenn Gefangene in einer Haftanstalt aufgenommen werden. In einem Erstgespräch gehe es häufig darum, ob Suizidtendenzen bestehen, ob Verwandte benachrichtigt werden müssen oder ob psychische Auffälligkeiten zu erkennen sind. Aber auch im weiteren Verlauf des Vollzugs könne das Videodolmetschen helfen – sei es bei medizinischen Fragen oder einfach nur zur Überwindung von alltäglichen Verständigungsschwierigkeiten.

Privater Dienst bietet mehr als 60 Sprachen an

In diesen Wochen sollen an die Haftanstalten Tablets ausgeliefert werden, auf denen eine entsprechende App konfiguriert ist. Das private Unternehmen, mit dem der Justizvollzug zusammenarbeitet, biete über eine gesicherte IT-Verbindung Übersetzungsleistungen in mehr als 60 Sprachen an. Die Dolmetscher würden über Übersetzungserfahrungen in den Themen Medizin, Verwaltung und Sozialwesen verfügen. Die Dolmetscherleistungen seien an jedem Tag des Jahres für mindestens zehn Stunden abrufbar. Die Reaktionszeit des Dolmetschers auf eine Anfrage betrage – abhängig von der Sprache – zwischen 5 und 120 Minuten.

1,20 Euro pro Minute

Die Kosten für ein übersetztes Gespräch würden taktgenau abgerechnet und betragen 1,20 Euro/Minute – unabhängig von der Sprache. Hinzu komme eine monatliche Grundgebühr in mittlerer dreistelliger Höhe für die Bereitstellung des Übersetzungsservices. Bislang seien für Übersetzungsleistungen immer Dolmetscher in die Haftanstalten bestellt werden. Die mit der Anreise verbundenen Verzögerungen und Kosten würden durch das nun eingeführte Videodolmetschen vermieden, betonte das Ministerium.

Redaktion beck-aktuell, 26. April 2019.