Neuregelung: BGH soll in Massenverfahren schneller entscheiden können

Der Bundesgerichtshof soll in Massenverfahren, in denen sich dieselben grundsätzlichen Rechtsfragen stellen, künftig leichter entscheiden können. Das Bundesjustizministerium (BMJ) hat dafür am Mittwoch den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Leitentscheidungsverfahrens beim BGH veröffentlicht. Ziel sei es, mehr Rechtssicherheit zu schaffen und die Gerichte zu entlasten, indem weitere Klagen zur selben Rechtsfrage vermieden werden.

Unnötige Belastung der Gerichte

Das massenhafte Einklagen gleichgelagerter Ansprüche im Wege einzelner Verfahren (beispielsweise im Diesel-Skandal oder wegen unzulässiger Klauseln in Fitnessstudio-, Versicherungs- oder Bankverträgen) hat nach Angaben des BMJ stark zugenommen. Häufig gebe es dabei rechtliche Streitfragen, die alle Verfahren gleichermaßen betreffen. Solange diese Fragen noch nicht durch den BGH geklärt wurden, liefen die meisten dieser Verfahren bis zur letzten Instanz. Seien die Verfahren beim BGH angekommen, könne eine höchstrichterliche Entscheidung allerdings "verhindert" werden, indem das Revisionsverfahren von den Parteien beispielsweise durch eine Rücknahme oder einen Vergleich beendet wird. Ohne eine solche höchstrichterliche Klärung würden die Instanzgerichte daher immer wieder mit neuen Verfahren zu gleichgelagerten Sachverhalten belastet. Das verlängere die Verfahrensdauer in den einzelnen Verfahren und belaste die Gerichte unnötig.

Abhilfe durch neuartige Leitentscheidung

Mit dem Leitentscheidungsverfahren will das Bundesjustizministerium eine neue Möglichkeit für den BGH schaffen, grundsätzliche Rechtsfragen in Massenverfahren auch dann zu entscheiden, wenn die Parteien das Verfahren anderweitig beendet haben (zum Beispiel durch eine Rücknahme). Werde in einem Massenverfahren eine Revision eingelegt, so könne der BGH dieses Verfahren zu einem Leitentscheidungsverfahren bestimmen. Der BGH entscheide über die grundsätzlichen Rechtsfragen auch dann, wenn sich das Revisionsverfahren beispielsweise durch Rücknahme erledigt habe: Er treffe die Entscheidung dann als neuartige Leitentscheidung.

Keine Auswirkung auf einzelnes Revisionsverfahren

Die Leitentscheidung habe keine Auswirkungen auf das einzelne Revisionsverfahren; den Parteien bleibe es unbenommen, sich zu vergleichen oder die Revision zurückzunehmen. Die Leitentscheidung diene – wie eine Revisionsentscheidung sonst auch – den Gerichten und der Öffentlichkeit als Richtschnur und Orientierung. Gerichte könnten bei ihnen anhängige Parallelverfahren im Einverständnis mit den Parteien bis zur Revisions- oder Leitentscheidung aussetzen.

Redaktion beck-aktuell, 14. Juni 2023.

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