WLTP soll Abgas- und Verbrauchswerte realistischer abbilden
Der neue europaweite Standard WLTP ist ein Messverfahren, das für realistischere Werte der Schadstoffemissionen sowie des Verbrauchs abbilden soll. Die Untersuchungen sind gründlicher als im bisherigen Verfahren NEFZ. Vom 01.09.2018 an dürfen nur noch Autos neu zugelassen werden, die den neuen Prüfstandard durchlaufen haben.
Höhere Kfz-Steuer für neu zugelassene Pkw durch WLTP
Das hat Auswirkungen auch auf die Kfz-Steuer, die nach dem Hubraum und dem CO2-Wert des Fahrzeugs bemessen wird, der sich aus dem Spritverbrauch ergibt. Die Kfz-Steuer wird fortan für neu zugelassene Pkw nach den WLTP-Werten berechnet. Im Vergleich zum alten Prüfstandard werden auf dem Papier überwiegend höhere Verbrauchswerte und damit Emissionen erwartet. Zwar ist der Pkw-Bestand von der Neuregelung nicht berührt - wer aber ein Fahrzeug neu zulässt, muss mit einem WLTP-Zuschlag rechnen.
ADAC: Über 70% höhere Kfz-Steuer für einzelne Modelle
Die Kfz-Steuer werde für viele Autofahrer, die ihr Fahrzeug nach dem Stichtag erstmals zulassen, höher ausfallen, sagt der ADAC-Vizepräsident für Verkehr, Ulrich Klaus Becker. Denn WLTP führe zu höheren Referenzwerten für die Steuer. "Im Ergebnis führt die Umstellung zu einer spürbaren Erhöhung der Kfz-Steuer." Nach ADAC-Rechnungen steigt die Kfz-Steuer für einzelne Modelle um mehr als 70%.
Dudenhöffer erwartet durchschnittlich 50 Euro mehr an Kfz-Steuer
Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Center an der Uni Duisburg-Essen sagt, gängigen Prognosen zufolge sei beim WLTP-Test mit einem 20% höheren Treibstoffverbrauch und damit 20% höheren Werten beim Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2) zu rechnen. Dudenhöffer erwartet im Durchschnitt 50 Euro mehr Kfz-Steuer. "Das sind keine großen Beträge, aber für viele ist das dennoch ärgerlich", sagt Isabel Klocke, Abteilungsleiterin Steuerrecht beim Bund der Steuerzahler. Empfehlenswert sei deshalb, sich vor dem Neuwagenkauf Hubraum und WLTP-Wert vorlegen zu lassen.
Bundesfinanzministerium: Auswirkungen auf Kfz-Steuer derzeit nicht verlässlich bezifferbar
Und was bringt das Ganze dem Fiskus? Im Haus von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) gibt man sich wortkarg. Mangels ausreichender Datenbasis seien "verlässliche repräsentative Aussagen" über die konkreten Auswirkungen der Umstellung auf die Kraftfahrzeugsteuer noch nicht möglich, sagt ein Sprecher. Das Ministerium will die Auswirkungen von WLTP auf die Kfz-Steuer nach einem Jahr überprüfen.
Dudenhöffer rechnet mit rund 170 Millionen Euro Steuermehreinnahmen
Bisher bringt die Kraftfahrzeugsteuer dem Bund knapp neun Milliarden Euro pro Jahr. Durch WLTP kommt es nun zu einem "Papiereffekt", wie Dudenhöffer es beschreibt: Die tatsächlichen Verbrauchsdaten und Emissionen bleiben gleich, es ändert sich aber die Steuereinstufung. Der Branchenexperte rechnet mit Steuermehreinnahmen von rund 170 Millionen Euro im Jahr.
Lieferengpässe durch WTLP-Umstellung
Allerdings dürfte der Zuschlag erst nach und nach wirksam werden. Denn bei Autobauern kommt es wegen der Umstellung auf WLTP derzeit zu Lieferengpässen, vor allem beim VW-Konzern. Die Hersteller müssen Modelle unter den schärferen Bedingungen neu zertifizieren lassen - alleine bei VW müssen mehr als 260 Getriebe-Motorkombinationen neu gemessen und zugelassen werden. VW musste wegen fehlender Zulassungen für Neuwagen riesige Parkplatzflächen mieten - zum Beispiel am künftigen, aber immer noch nicht fertigen Hauptstadtflughafen BER. "Der deutsche Automarkt wird durch WTLP im zweiten Halbjahr deutlich gebremst", prognostiziert Dudenhöffer.
ADAC: Neuer Prüfstandard dennoch richtig
"Lieferengpässe und Verzögerungen wie gegenwärtig bei einzelnen Fahrzeugmodellen sind bedauerlich und ärgerlich", sagt ADAC-Vizepräsident Becker. "Aus Sicht von Kunden, die länger auf ihr Wunschauto warten müssen, genauso wie für Unternehmen und Belegschaft angesichts der wirtschaftlichen Folgen." Je nach Vorplanung und Modellpalette sei es den Herstellern unterschiedlich gut gelungen, ihre Zulassungsverfahren rechtzeitig umzustellen. Die Einführung der neuen Abgasgesetzgebung sei dennoch richtig. "Die tatsächlichen Fahrzeugemissionen haben sich immer weiter von den Zulassungsgrenzwerten entfernt."
Dudenhöffer: Umstieg auf alternative Antriebe könnte beschleunigt werden
WLTP könnte noch einen anderen Effekt haben. Zusammen mit geplanten strengeren CO2-Grenzwerten in der EU könnte der neue Prüfstandard den Umstieg auf alternative Antriebe beschleunigen, sagt Dudenhöffer. "Der Verbrennungsmotor hat es schwerer in der Zukunft."
Umweltverbände und Grüne fordern grundlegenden Kurswechsel
Umweltverbände und Grüne fordern einen grundlegenden Kurswechsel vor allem mit Blick auf schwere SUVs - ein Segment, das nach wie vor boomt. Eine "geringfügig" höhere Kfz-Steuer für schwere SUVs werde den Trend zu diesen Fahrzeugen nicht bremsen, sagt Grünen-Bundestagsfraktionsvize Oliver Krischer: "Dafür sind die Aufschläge leider viel zu gering. Es bräuchte eigentlich eine Kfz-Steuer, die schwere Spritschlucker mit hohem CO2-Ausstoß viel stärker belastet. Aus den Einnahmen ließen sich CO2-freie Elektroautos deutlich stärker fördern."