Neue Richtervereinigung kritisiert Missachtung gerichtlichen Rechtsschutzes bei Abschiebungen

Vor dem Hintergrund des nach Tunesien abgeschobenen Sami A. hat sich die Neue Richtervereinigung (NRV) kritisch zu der Abschiebepraxis geäußert. Gerichtlicher Rechtsschutz und faire Verfahren seien unabdingbare Vorgaben der deutschen Verfassung und kein Gut, das je nach politischer Wetterlage zur Disposition stehe, heißt es in einer Stellungnahme des NRV vom 18.07.2018.

NRV empfiehlt Rücktritte

Und weiter erklärte die NRV: "Regierungsmitglieder, die für die Rechtmäßigkeit behördlichen Handelns und für die Wahrung unserer Verfassung zuständig sind, sollten nicht "froh“ sein über Abschiebungen von "Gefährdern“, die am Rechtsstaat vorbeigehen, sondern über ihren Rücktritt nachdenken.“ Der vermeintliche Erfolg gebe mehr auf, als er gewinne.

Auch Afghane unrechtmäßig abgeschoben

Die NRV moniert in diesem Zusammenhang das Verhalten des Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU), der sich "zu seinem 69. Geburtstag in kindlicher Weise über die Abschiebung von 69 Menschen in ein Krisengebiet freut.“ Zu den abgeschobenen gehörte auch der Afghane Nasibullah S. Wie am 17.07.2018 bekannt wurde, war auch über seine Asyl-Klage am Verwaltungsgericht Greifswald noch gar nicht entschieden, als er nach Afghanistan abgeschoben wurde. Hier räume das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Fehler immerhin ein, so die NRV.

Sollte bei Sami A. Rechtsschutz bewusst ausgehebelt werden?

Im Fall des am 13.07.2018 nach Tunesien abgeschobenen Sami A. bleibe noch zu klären, so die NRV, warum das BAMF und die zuständige Ausländerbehörde gegenüber dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen falsche oder jedenfalls unvollständige Angaben über den bereits feststehenden Abschiebungstermin gemacht haben. Womöglich sei hier nicht nur ein Fehler passiert, sondern das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz bewusst ausgehebelt worden, vermutet die NRV.

Scheinheilige Ministereinlassung

Die dazu erfolgte Feststellung des nordrhein-westfälischen Flüchtlingsministers Joachim Stamp (FDP), dass zum Zeitpunkt der Abschiebung noch keine gerichtliche Entscheidung vorgelegen habe, ist nach Ansicht der Neuen Richtervereinigung jedenfalls scheinheilig. Formal betrachtet stimme es zwar, es unterschlage aber, dass das Verwaltungsgericht die Abschiebung in Kenntnis des Sachverhalts rechtzeitig untersagt hätte. 

Kritik auch an Laschet

Auch über den Kommentar des NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) zur Abschiebung von Sami A. wundert sich die NRV. Dieser hatte laut NRV gesagt: "Da hat mancher seine Fragen, wenn zwei Kammern eines gleichen Verwaltungsgerichts so entscheiden." Das sage nur jemand, so die Richtervereinigung, der dem Verwaltungsgericht wider besseren Wissens den Schwarzen Peter zuschieben wolle oder der das Nebeneinander von Ausländerrecht und Asylrecht tatsächlich nicht verstanden habe.

Redaktion beck-aktuell, 19. Juli 2018.

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