Neue Insolvenzsicherung bei Pauschalreisen ab Juli in Kraft
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Die Insolvenzabsicherung bei Pauschalreisen erfolgt künftig über einen Reisesicherungsfonds. Zum 01.07.2021 tritt das Gesetz über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds (Reisesicherungsfondsgesetz – RSG) und zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften in Kraft. Wie das Bundesjustizministerium am Mittwoch mitteilte, soll die Neuregelung nach einer Übergangsphase für Reisebuchungen ab 01.11.2021 verpflichtend sein.

Auslöser war Thomas-Cook-Pleite

Das Gesetz sieht eine grundsätzliche Neuregelung der Insolvenzsicherung im Pauschalreiserecht vor und setzt Eckpunkte für eine Systemumstellung um, die die Bundesregierung am 10.06.2020 beschlossen hat. Die EU-Richtlinie 2015/2302 (Pauschalreiserichtlinie) verpflichtet Reiseveranstalter, für den Fall ihrer Insolvenz die von den Reisenden erhaltenen Vorauszahlungen sowie den vertraglich zugesagten Rücktransport der Reisenden abzusichern. Die Absicherung konnte bislang durch Versicherungen oder Bankbürgschaften/-garantien erfolgen, wobei die Haftung der Versicherung oder Bank für die von ihr in einem Geschäftsjahr insgesamt zu erstattenden Beträge auf 110 Millionen Euro pro Jahr begrenzt werden konnte. Nach Insolvenz des Thomas-Cook-Konzerns wurde die Neuregelung auf den Weg gebracht.

Insolvenzsicherung über Reisesicherungsfonds

Die Insolvenzsicherung soll künftig über einen Reisesicherungsfonds erfolgen. Lediglich für kleine Unternehmen mit einem jährlichen Pauschalreiseumsatz von weniger als zehn Millionen Euro bleibt eine Absicherung außerhalb des Fonds, beispielsweise mittels einer Versicherung oder Bürgschaft, zulässig. Für alle anderen Reiseveranstalter – also für Reiseveranstalter mit einem jährlichen Pauschalreiseumsatz ab zehn Millionen Euro – gilt, dass diese einen Absicherungsvertrag mit dem Reisesicherungsfonds abschließen müssen. Voraussetzung ist wie nach geltendem Recht, dass der jeweilige Reiseveranstalter gesetzlich zur Insolvenzsicherung verpflichtet ist. Das ist der Fall, wenn er Vorauszahlungen fordert oder annimmt und/oder der Pauschalreisevertrag eine Rückbeförderung des Reisenden umfasst. Der Reisesicherungsfonds gewährleistet dann nach Angaben des Bundesjustizministeriums im Verhältnis zum Reisenden die Erfüllung der Pflichten des Reiseveranstalters zur Erstattung der Vorauszahlungen und zum Rücktransport der Reisenden. Die neuen Regelungen gelten entsprechend auch für Vermittler verbundener Reiseleistungen.

Fondsvermögen muss Pleite abdecken

Das Fondsvermögen muss nach der Neuregelung die Insolvenz des umsatzstärksten Reiseanbieters sowie eines weiteren Reiseanbieters mittlerer Umsatzgröße abdecken. Es müssen jedoch immer mindestens 15% des Gesamtmarktes abgedeckt sein. Liegt die Summe der Marktanteile des größten und des mittleren Reiseanbieters darunter, ist die Mindestabdeckung von 15% maßgeblich. Der mögliche Maximalverlust im Insolvenzfall wird mit 22% des Umsatzes angenommen, den ein abgesicherter Reiseanbieter mit Pauschalreisen oder der Vermittlung verbundener Reiseleistungen erzielt. Das Fondsvermögen soll aus den Entgelten der Reiseanbieter gebildet werden. Während der Aufbauphase gilt dies uneingeschränkt, anschließend kann ein Viertel des erforderlichen Kapitals auch durch eine unwiderrufliche Kreditzusage gebildet werden. Insgesamt – einschließlich der Sicherheitsleistungen – soll der Fonds bis zum 31.10.2027 über ein Zielkapital-Volumen von 750 Millionen Euro verfügen. Die Höhe der Entgelte ist vom Fonds entsprechend festzusetzen, sie muss in der Aufbauphase aber mindestens 1% des Umsatzes der Reiseanbieter betragen. Der Staat will den Reisesicherungsfonds während der Aufbauphase durch eine Bürgschaft oder Garantie für einen Kredit absichern, den der Reisesicherungsfonds im Schadensfall aufnehmen muss. Die staatliche Absicherung gilt bis 31.10.2027 und deckt die Differenz zwischen dem vorhandenen Fondsvermögen zuzüglich der Sicherheiten und dem Zielkapital ab.

Forderung individueller Sicherheitsleistung möglich

Der Reisesicherungsfonds kann als Voraussetzung für den Abschluss eines Absicherungsvertrages mit einem Reiseanbieter verlangen, dass der Reiseanbieter eine individuelle Sicherheitsleistung stellt. Diese kann in Form einer Versicherung oder Bankgarantie (jeweils zugunsten des Fonds) beigebracht werden. Sie beträgt in der Aufbauphase des Fonds (bis zum 31.10.2027) pauschal mindestens 5% des Jahresumsatzes. Nach Ende der Aufbauphase entscheidet grundsätzlich der Fonds über die Höhe der Sicherheiten. Vorgaben für Mindest- und Höchstsätze der Sicherheitsleistung können jedoch bei Bedarf per Verordnung geregelt werden.

Bundesjustizministerium übernimmt Aufsicht

Die Aufsicht über den Reisesicherungsfonds will das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz übernehmen. Zunächst werde es – sofern die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen – eine Erlaubnis für den Betrieb des Reisesicherungsfonds erteilen. Die Aufnahme des Geschäftsbetriebs soll dann spätestens zum 01.11.2021 erfolgen. Zu einem späteren Zeitpunkt kann das Ministerium die Aufsicht über den Reisesicherungsfonds auf das Bundesamt für Justiz übertragen.

Wirksame und ordnungsgemäße Geschäftsorganisation

Der Reisesicherungsfonds hat ausschließlich den Aufbau und den Erhalt von Kapital, den Abschluss von Absicherungsverträgen und die Abwicklung von möglichen Schäden zum Gegenstand. Dafür schreibt ihm das RSG eine wirksame und ordnungsgemäße Geschäftsorganisation vor. Die in diesem Kontext wesentlichen Interessengruppen (Bund und Länder, Verbraucherinnen und Verbraucher, Reiseanbieter) werden über einen Beirat einbezogen, der die Geschäftsleitung des Fonds unterstützt und berät. Einzelheiten dazu sowie zur Erlaubniserteilung wird die Bundesregierung per Rechtsverordnung regeln, die Anfang Juli 2021 in Kraft treten soll.

Streichung der Haftungsbegrenzung auf 110 Millionen Euro

Die bislang bestehende Möglichkeit der Kundengeldabsicherer, ihre Haftung auf 110 Millionen Euro zu begrenzen, wird durch eine Änderung des § 651r BGB gestrichen. Der Reisesicherungsfonds haftet für Insolvenzschäden der bei ihm abgesicherten Reiseanbieter mit dem gesamten Fondsvermögen. Auch Versicherer und Kreditinstitute, die als Absicherer tätig werden, haften grundsätzlich unbegrenzt. Sie dürfen ihre Einstandspflicht nur bei Kleinstunternehmen mit absicherungspflichtigen Umsätzen von weniger als drei Millionen Euro begrenzen, und zwar auf eine Million Euro für jeden Insolvenzfall. Für diese Gruppe von Unternehmen liegen nach Angaben des Ministeriums genügend aussagekräftige Daten vor, um die zu erwartenden Schäden mit hinreichender Sicherheit einschätzen und den danach angemessenen Höchstbetrag festlegen zu können. Für Unternehmen mit Umsätzen von drei Millionen Euro oder mehr sei dies dagegen nicht der Fall, sodass eine Haftungsbegrenzung hier nicht möglich sei.

Redaktion beck-aktuell, 30. Juni 2021.