Regeln im Überblick
Wer im Stau zum Beispiel durch eine Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge fährt, kann künftig mit bis zu 320 Euro Strafe, einem Monat Fahrverbot und zwei Punkten im Fahreignungsregister bestraft werden. Auf Schutzstreifen für Fahrradfahrer am Straßenrand darf nicht mehr gehalten werden - sonst drohen bis zu 100 Euro Strafe und ein Punkt. Auch die unerlaubte Nutzung von Gehwegen, linksseitig angelegten Radwegen und Seitenstreifen wird - statt mit bis 25 Euro - mit bis zu 100 Euro Geldbuße geahndet. Und wer nur 21 km/h zu schnell durch die Radarfalle fährt, dessen Führerschein ist dann für einen Monat weg. Wer Fahrräder überholt, muss laut neuer Regelung im Ort künftig mindestens 1,5 Meter Abstand halten, außerorts 2 Meter - bisher war lediglich ein "ausreichender Seitenabstand“ vorgeschrieben. Dazu kommen strengere Regeln für das Parken an unübersichtlichen Kreuzungen. Parkplätze für E-Autos und Carsharing-Autos können einfacher ausgewiesen werden.
Scharfe Kritik von ADAC, FDP und AfD
Bei ADAC, FDP und vor allem der AfD stießen die neuen Regelungen auf teils heftige Kritik. Der ADAC bemängelte, dass künftig Geschwindigkeitsverstöße schneller mit Fahrverboten geahndet würden und zwar unabhängig von der Gefährdungssituation und ohne ausreichende Differenzierung. FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic sagte, dem neuen Bußgeldkatalog fehle es "teilweise an Maß und Mitte“. Es sei unpassend, das Falschparken auf einem Parkplatz für Elektroautos ebenso zu bestrafen wie auf einem Parkplatz für Schwerbehinderte - für beides werden künftig 55 Euro fällig. Und dass ein einmonatiges Fahrverbot schon droht, wenn man außerorts einmal mit 26 Kilometern pro Stunde zu schnell erwischt wird, sei "praxisfern und überzogen“. Die AfD sprach gar von einem "Bußgeldkatalog des Schreckens". Tausende Autofahrer würden "kriminalisiert", erklärte der verkehrspolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Dirk Spaniel. Berufskraftfahrern oder Handwerkern drohe bei einer innerörtliche Geschwindigkeitsüberschreitung von 21 km/h neben einem Bußgeld von 80 Euro ein Fahrverbot, das häufig auch zu einer Entlassung führe. Der Verein Mobil in Deutschland nannte die neuen Regeln gar eine "Führerschein-Vernichtungsmaschine“.
Grünenexperte sieht noch Verbesserungsbedarf
Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar begrüßte dagegen die Aufstockung der Bußgelder im Grundsatz, kritisierte jedoch, dass die neuen Regeln dem Fuß- und Radverkehr nur sehr wenig helfen würden. Es fehle an Erleichterungen für die Einführung von Tempo 30 in Städten und Gemeinden. Verkehrssicherheitszonen, in die nur Lastwagen einfahren dürften, die einen Abbiegeassistenten haben, seien ebenfalls nicht in Sicht. Scheuer sei auch angesichts der Corona-Pandemie in der Pflicht, zügig nachzubessern. "Gerade jetzt ist mehr Platz für Rad- und Fußverkehr notwendig, um die geltenden Abstandsgebote überhaupt einhalten zu können", betonte Gelbhaar.
Verkehrswacht und Polizeigewerkschaft begrüßen Novelle
Der Präsident der Deutschen Verkehrswacht (DVW), Kurt Bodewig, begrüßte in weiten Teilen die Neuerungen: "Beim Schutz von Radfahrenden geht die Novelle in die richtige Richtung. Auch härtere Strafen bei der Rettungsgasse können helfen, dass Einsatzkräfte schneller am Unfallort sind.“ Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bewertete die Erhöhung der Bußgelder positiv. Die GdP habe sich bereits in der Vergangenheit kritisch zur im internationalen Vergleich geringen Höhe der sogenannten Discount-Bußgelder hierzulande geäußert, erklärte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Dietmar Schilff.
Mehr Arbeit für Polizei und Gerichte befürchtet
Der Gewerkschafter verwies jedoch darauf, dass die Verschärfung der Sanktionen auch zu möglicher Mehrarbeit führen könne. "Wenn künftig schon bei geringeren Verstößen der Verlust des Führerscheins droht, ist zu erwarten, dass die Zahl der Einsprüche und Klagen gegen Bußgeldbescheide und Anordnungen von Fahrverboten - und damit in letzter Konsequenz auch die Zahl der Gerichtsverfahren in Sachen Verkehrsverstößen - steigen wird“, gab Schilff zu bedenken. Dies dürfe nicht dazu führen, dass die Polizeibeschäftigten der Verkehrsüberwachung, die zumeist ohnehin schon sehr stark belastet seien, künftig noch mehr Zeit "am Schreibtisch" oder in langwierigen Gerichtsverhandlungen mit der Bearbeitung von in der Praxis häufig sehr eindeutigen Delikten verbringen müssten.