Neue Aussage im Mordfall Lübcke: Hauptverdächtiger beschuldigt Bekannten

Geständnis, Widerruf und nun eine neue Version der Tatnacht: Der Hauptverdächtige im Mordfall Lübcke, Stephan E., behauptet jetzt, sein Bekannter Markus H. sei bei der Tat zugegen gewesen und habe den CDU-Politiker versehentlich erschossen. Entsprechende Angaben habe E. nun vor dem Ermittlungsrichter gemacht, sagte Verteidiger Frank Hannig am 08.01.2020 in Kassel. Die Bundesanwaltschaft wollte die Aussagen von E. nicht kommentieren.

Geständnis, Widerruf, neue Version

Der CDU-Politiker Walter Lübcke war Anfang Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses im Landkreis Kassel mit einem Kopfschuss getötet worden. Stephan E. soll nach den bisherigen Ermittlungen der Schütze sein. Der Generalbundesanwalt geht von einem rechtsextremen Hintergrund aus. E. hatte zunächst gestanden, dann aber sein Geständnis widerrufen. Jetzt erzählt er eine neue Version der Tatnacht.

E. beschuldigt Markus H.

Die neue Aussage von Stephan E. unterscheidet sich deutlich von seinem ersten, inzwischen widerrufenen Geständnis. Damals hatte der 46-Jährige erklärt, allein zu Lübckes Haus gefahren zu sein. Der Verdächtige Markus H. sitzt bisher in Untersuchungshaft, weil er Stephan E. beim Kauf der Tatwaffe geholfen haben soll. Doch nach der neuen Darstellung fuhr Markus H. mit zum Tatort und nahm dabei die Waffe entgegen. Eine Tötungsabsicht bestreitet Stephan E. nun. Die Männer hätten den CDU-Politiker aufgesucht, "um ihm, wie mein Mandant gesagt hat, eine Abreibung zu verpassen", erklärte Verteidiger Hannig. Auf der Terrasse des Politikers sei es zu einem Streitgespräch gekommen. Daraufhin habe sich aus der Waffe, die H. auf Lübcke gerichtet habe, ein Schuss gelöst. "So hat es mein Mandant dargestellt, er selber versichert, dass er nicht glaubt, dass dies absichtlich geschehen ist", sagte der Rechtsanwalt.

E.: Geständnis gegen Versprechungen

Nach Angaben von Hannig wollte E. mit seinem früheren Geständnis Markus H. schützen - ihm seien dafür Schutz und finanzielle Vorteile für seine Familie versprochen worden. Von wem, sagte der Anwalt auch auf Nachfrage nicht. Zum Motiv von Stephan E. und Markus H. sagte Anwalt Hannig nichts. Das sei nicht so detailliert zur Sprache gekommen. Ursprünglich hatte E. ausgesagt, er habe seine Familie durch kriminelle Ausländer bedroht gesehen, dazu hätten ihn islamistische Anschläge stark aufgewühlt. Lübcke, der 2015 die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft bei Kassel verteidigt hatte, habe er daran eine Mitschuld gegeben.

Neue Aussage auf eigenen Wunsch von E.

Stephan E. hatte auf eigenen Wunsch erneut ausgesagt. Die fünfstündige Vernehmung fand am 08.01.2020 in Kassel statt. Dort sitzt der Verdächtige in Untersuchungshaft und will auch weiter mit den Ermittlern reden. "Wir haben heute vereinbart, dass es weitere Befragungen geben wird", sagte Hannig.

Anwalt von Markus H. stellt Glaubwürdigkeit von E. in Frage

Der Anwalt von Markus H. erklärte, sich weiterhin nicht zum Sachverhalt äußern zu wollen. "Es kann sich im Übrigen jeder Beobachter selbst die Frage stellen, wie glaubwürdig jemand ist, der im Lauf des Verfahrens ständig mit neuen Versionen eines Geschehens aufwartet, zu dem er ursprünglich ein vollständiges Geständnis abgelegt hat", sagte er.

Redaktion beck-aktuell, Göran Gehlen, 9. Januar 2020 (dpa).

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