Negativ-Bewertung bei eBay muss nicht entfernt werden
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Der Kommentar eines Käufers "Versandkosten Wucher!!" in einem Bewertungsprofil der Internetplattform eBay ist zulässig. Der Bundesgerichtshof entschied am Mittwoch, dass der Verkäufer keinen Anspruch auf Entfernung der negativen Bewertung hat. Unzulässig sei allein eine Bewertung, die auf Schmähkritik hinauslaufe. Das in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von eBay enthaltenes "Sachlichkeitsgebot" bedinge keinen über die Abwehr von Schmähkritik hinausgehenden vertraglichen Schutz.

AGB von eBay waren Grundlage des Geschäfts

Der Beklagte erwarb von der Klägerin über die Internetplattform eBay vier Gelenkbolzenschellen für 19,26 Euro brutto. Davon entfielen 4,90 Euro auf die dem Beklagten in Rechnung gestellten Versandkosten. Grundlage des Verkaufs waren die zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen AGB von eBay, denen die Parteien vor dem Geschäft zugestimmt hatten. Dort heißt es unter § 8 Bewertungen auszugsweise: "Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten". Nach Erhalt der Ware bewertete der Beklagte das Geschäft in dem von eBay zur Verfügung gestellten Bewertungsprofil der Klägerin mit dem Eintrag "Ware gut, Versandkosten Wucher!!".

Erste Instanz ging nicht von Schmähkritik aus

Das Amtsgericht wies die auf Entfernung dieser Bewertung und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage ab. Nach Auffassung des AG handelt es sich bei der Bezeichnung der Versandkosten als "Wucher" um ein Werturteil, das nur dann unzulässig sei, wenn es sich um eine Schmähkritik handele. Eine solche liege jedoch nicht vor. Die Bewertung weise einen Sachbezug auf, weil sie in einen Zusammenhang mit den Versandkosten gestellt sei.

OLG sieht nachvertragliche Nebenpflicht verletzt

Auf die Berufung der Klägerin änderte das Landgericht das erstinstanzliche Urteil ab und verurteilte den Beklagten antragsgemäß zur Entfernung der Bewertung und zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Aus Sicht des Berufungsgerichts hat der Beklagte eine nachvertragliche Nebenpflicht verletzt (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB). Die Bewertung verstoße gegen das Sachlichkeitsgebot aus § 8 Nr. 2 Satz 2 der AGB von eBay. Daraus ergebe sich ein über die Abwehr von Schmähkritik hinausgehender Schutz. Bei der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" handele es sich um eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug, die nicht gerechtfertigt sei, weil für einen objektiven Leser nicht erkennbar sei, warum sich die Versandkosten aus Sicht des Käufers als "Wucher" darstellten. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrte der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Revision vor BGH erfolgreich

Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH Erfolg. Der Achte Zivilsenat entschied, dass der Klägerin kein Anspruch auf Entfernung der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" zusteht, auch nicht unter dem vom Berufungsgericht herangezogenen Gesichtspunkt einer (nach-)vertraglichen Nebenpflichtverletzung. Anders als das Berufungsgericht es gesehen habe, enthalte die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 der eBay-AGB über die bei Werturteilen ohnehin allgemein geltende (deliktsrechtliche) Grenze der Schmähkritik hinaus keine strengeren vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von Werturteilen in Bewertungskommentaren.

Gefestigte Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung maßgeblich

Zwar sei der Wortlaut der Klausel nicht eindeutig. Für das Verständnis, dem Sachlichkeitsgebot in § 8 Abs. 2 Satz 2 der eBay-AGB solle gegenüber dem Verbot der Schmähkritik kein eigenständiges Gewicht zukommen, spreche aber bereits der Umstand, dass hier genaue Definitionen zu dem unbestimmten Rechtsbegriff "sachlich" in den AGB fehlen. Es liege in diesem Fall im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten, die Zulässigkeit grundrechtsrelevanter (Art. 2 Abs. 1, Art. 12 GG [beim Verkäufer], Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG [beim Käufer]) Bewertungen eines getätigten Geschäfts an den gefestigten Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Schmähkritik auszurichten und hierdurch die Anforderungen an die Zulässigkeit von Bewertungskommentaren für die Nutzer und eBay selbst möglichst greifbar und verlässlich zu konturieren. Zudem hätte es der gesonderten Erwähnung der Schmähkritikgrenze nicht bedurft, wenn dem Nutzer schon durch die Vorgabe, Bewertungen sachlich zu halten, eine deutlich schärfere Einschränkung hätte auferlegt werden sollen, betonte der BGH.

Auch Meinungsfreiheit des Bewertenden Rechnung zu tragen

Außerdem würde man der grundrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit des Bewertenden von vorherein ein geringeres Gewicht beimessen als den Grundrechten des Verkäufers, wenn man eine Meinungsäußerung eines Käufers regelmäßig bereits dann als unzulässig einstufte, wenn sie herabsetzend formuliert ist und/oder nicht (vollständig oder überwiegend) auf sachlichen Erwägungen beruht. Eine solche, die grundrechtlichen Wertungen nicht hinreichend berücksichtigende Auslegung entspreche nicht dem an den Interessen der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Verständnis redlicher und verständiger Vertragsparteien.

Begriff der Schmähkritik eng auszulegen

Die Grenze zur Schmähkritik sei durch die Bewertung "Versandkosten Wucher!!" nicht überschritten. Wegen seiner das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkenden Wirkung sei der Begriff der Schmähkritik nach der Rechtsprechung des BGH eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik mache eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten müsse vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund stehe, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll.

Diffamierung steht hier nicht im Vordergrund

Daran fehlt es nach dem jetzt ergangenen BGH-Urteil hier. Bei der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" stehe eine Diffamierung der Klägerin nicht im Vordergrund. Denn der Beklagte setze sich – wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form – kritisch mit einem Teilbereich der gewerblichen Leistung der Klägerin auseinander, indem er die Höhe der Versandkosten beanstandet. Die Zulässigkeit eines Werturteils hänge nicht davon ab, ob es mit einer Begründung versehen ist.

BGH, Urteil vom 28.09.2022 - VIII ZR 319/20

Redaktion beck-aktuell, 28. September 2022.

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