Zahle, aber prüfe nicht: Das Ende des Be­le­gein­sichts­rechts für Mie­ter?
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Gut ge­meint ist nicht immer gut ge­macht: Das an­er­kann­te Be­le­gein­sichts­recht der Mie­ter steht nun ex­pli­zit im Ge­setz, doch es liest sich so, als könn­ten Ver­mie­ter es ein­fach ab­be­din­gen. Ob Mie­ter damit künf­tig die Ne­ben­kos­ten­ab­rech­nung ein­fach "schlu­cken" müs­sen, er­klär­te Mi­cha­el Selk

Das Bü­ro­kra­tie­ent­las­tungs­ge­setz, in Kraft ge­tre­ten zum 1. Ja­nu­ar 2025, hat auch im Miet­recht zahl­rei­che Än­de­run­gen ge­bracht. Die be­kann­tes­te Neue­rung ist die Er­set­zung der Schrift­form durch die Text­form für Nicht­wohn­raum­miet­ver­trä­ge in § 578 Abs. 1 S. 2 BGB. Aber auch an an­de­rer Stel­le, näm­lich bei den Be­triebs­kos­ten­ver­ein­ba­run­gen, gibt es neue Re­ge­lun­gen.

So wurde etwa der An­spruch des Mie­ters bzw. der Mie­te­rin, Be­le­ge der Ne­ben­kos­ten­ab­rech­nun­gen ein­se­hen zu kön­nen, ko­di­fi­ziert. § 556 Abs. 4 S. 1 BGB lau­tet nun: "Der Ver­mie­ter hat dem Mie­ter auf Ver­lan­gen Ein­sicht in die der Ab­rech­nung zu­grun­de­lie­gen­den Be­le­ge zu ge­wäh­ren." Das ist in der Sache nicht neu, da der BGH seit vie­len Jah­ren die­sen An­spruch Mie­te­rin­nen und Mie­tern wie selbst­ver­ständ­lich zu­spricht. Neu ist le­dig­lich, dass nach Satz 2 Ver­mie­te­rin­nen und Ver­mie­ter die Be­le­ge elek­tro­nisch be­reit­stel­len dür­fen.

Ohne Be­le­gein­sicht lässt sich Nach­for­de­rung kaum be­strei­ten

Diese Re­ge­lun­gen sind, ab­ge­se­hen von De­tail­fra­gen, un­pro­ble­ma­tisch. Indes folgt nun der nächs­te Ab­satz 5: "Eine zum Nach­teil des Mie­ters von Ab­satz 1, Ab­satz 2 Satz 2, Ab­satz 3 oder Ab­satz 3a ab­wei­chen­de Ver­ein­ba­rung ist un­wirk­sam." Nicht er­wähnt wird hier der eben er­läu­ter­te Abs. 4 des § 556 BGB. Damit er­laubt der Ge­setz­ge­ber auf den ers­ten Blick, dass man die Re­ge­lun­gen zum Be­le­gein­sichts­recht ver­trag­lich än­dern kann, wenn die Par­tei­en das wün­schen.

Fin­di­ge Ver­mie­ter und Ver­mie­te­rin­nen könn­ten nun auf den Ge­dan­ken kom­men, in den Miet­ver­trä­gen der Mie­ter­sei­te ihr Recht, Ein­sicht in die der Ab­rech­nung zu­grun­de lie­gen­den Be­le­ge zu for­dern, ab­zu­schnei­den. For­mu­lie­run­gen wie "Die Par­tei­en des Miet­ver­trags sind sich einig, dass der Mie­ter kein Recht hat, die der ein­zel­nen Ab­rech­nung zu­grun­de lie­gen­den Be­le­ge ein­zu­se­hen" könn­ten sich auf­drän­gen.

Würde man dies wirk­sam um­set­zen kön­nen, wäre es ein gra­vie­ren­der Ein­griff in Mie­ter­rech­te. Man stel­le sich vor: Ein Ver­mie­ter rech­net bin­nen der Jah­res­frist des § 556 Abs. 3 S.1 BGB for­mell und ma­te­ri­ell kor­rekt ab, die Ab­rech­nung endet für das Jahr mit einer Nach­zah­lung von 1.500 Euro zu­las­ten des Mie­ters. Die­ser be­an­stan­det bin­nen der Jah­res­frist des § 556 Abs. 3 S. 5 BGB die Ab­rech­nung –  zumal sie deut­lich höher aus­fällt als in den Vor­jah­ren – und be­gehrt Be­le­gein­sicht beim Ver­mie­ter. Die­ser lehnt aber unter Ver­weis auf den Ver­trag die Ein­sicht ab. Dem Mie­ter bleibt nur, die Nach­for­de­rung pau­schal zu be­strei­ten – dies aber ge­nügt im Re­gel­fall nicht. Die über­wie­gen­de An­sicht ver­langt eine vor­he­ri­ge Ein­sicht­nah­me, damit über­haupt ein wirk­sa­mes Be­strei­ten und qua­li­fi­zier­te Ein­wen­dun­gen mög­lich sind. Damit wäre ohne Ein­sicht­nah­me­mög­lich­keit der Nach­for­de­rungs­an­spruch des Ver­mie­ters schlüs­sig, Ein­wen­dun­gen gäbe es nicht.

Der Wort­laut ist klar

Nun könn­te man zu­nächst gegen die­ses Er­geb­nis vor­brin­gen, dass dem Mie­ter noch immer das vo­ri­ge Recht auf Ein­sicht­nah­me in die Be­le­ge ver­blei­be – im­mer­hin gab es die­ses ja auch schon vor dem 1. Ja­nu­ar 2025. Bis dahin ging man davon aus, dass sich das Be­le­gein­sichts­recht in § 556 Abs. 3 S.1 1. Hs. BGB a.F. finde und § 259 BGB die Ab­rech­nungs­pflicht des Ver­mie­ters bzw. der Ver­mie­te­rin nur ge­gen­ständ­lich kon­kre­ti­sie­re oder sich das Be­le­gein­sichts­recht di­rekt aus § 259 BGB er­ge­be. Gegen eine sol­che Ar­gu­men­ta­ti­on spricht al­ler­dings seit Jah­res­be­ginn 2025 der Grund­satz, dass das lex spe­cia­lis den all­ge­mei­nen Nor­men vor­geht. § 556 Abs. 4 S. 1 BGB würde an­de­ren­falls über­flüs­sig – und es ist kaum vor­stell­bar, dass der Ge­setz­ge­ber im Rah­men eines Ge­set­zes, das der Bü­ro­kra­tie­ent­las­tung dient, auch noch über­flüs­si­ge Nor­men schafft.

Legt man die neue Norm aus, so spre­chen Wort­laut und Sys­te­ma­tik klar dafür, dass die Ver­trags­par­tei­en das Recht des Mie­ters, Be­le­ge von Ne­ben­kos­ten­ab­rech­nun­gen ein­zu­se­hen, ein­ver­nehm­lich ab­än­dern dürf­ten. Ab­ge­se­hen von dem ein­deu­tig feh­len­den Ver­weis auf § 556 Abs. 4 BGB in Abs. 5 ist diese Tech­nik, ge­ra­de im Wohn­raum­miet­recht von den Nor­men ab­wei­chen­de Ver­ein­ba­run­gen zu ver­bie­ten, dem Ge­setz­ge­ber nicht fremd (vgl. z.B. § 536 Abs. 4, § 574 Abs. 4 BGB u.a.) – mit der Folge, dass alles in­so­fern nicht Er­wähn­te sehr wohl ge­än­dert wer­den kann.  

Die his­to­ri­sche Aus­le­gung hilft nicht wirk­lich wei­ter. Der jet­zi­ge Abs. 5 war frü­her Abs. 4 und wurde wort­gleich über­nom­men (BT-Drs. 20/11306 S.18). In der Be­grün­dung ver­weist die Bun­des­re­gie­rung kurz dar­auf, dass § 556 Abs. 4 S.1 BGB das Recht der Mie­te­rin­nen und Mie­ter auf Ein­sicht in die der Ab­rech­nung zu­grun­de lie­gen­den Be­le­ge ko­di­fi­zie­re (S. 100), um dann recht um­fas­send die Neu­re­ge­lung des § 556 Abs. 4 S. 2 BGB (elek­tro­ni­sche Be­le­ge) zu be­grün­den. Für den neuen Abs. 5 fin­det man dann nur: "Es han­delt sich um eine Fol­ge­än­de­rung."

Viel spricht für ein Ver­se­hen

Es scheint, als habe man schlicht über­se­hen, dass es nach dem Ein­fü­gen des neuen Abs. 4 durch­aus Be­darf ge­ge­ben hätte, die "Fol­ge­än­de­rung" noch ein­mal zu über­den­ken – und um die we­ni­gen Worte "…Abs. 3a oder Abs. 4" zu er­gän­zen. Al­ler­dings wäre dies viel­leicht zu kurz ge­dacht, denn das Recht des Ver­mie­ters bzw. der Ver­mie­te­rin auf Be­reit­stel­lung in di­gi­ta­ler Form wäre – da es eine Mög­lich­keit zu­guns­ten der Mie­te­rin­nen und Mie­ter ist – durch­aus ab­ding­bar. Nicht ge­dacht wurde of­fen­bar an den neu ko­di­fi­zier­ten Abs. 4 S. 1. An­halts­punk­te, dass man die­sen An­spruch nun be­wusst als ab­än­der­bar re­geln woll­te, fin­den sich im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren je­den­falls auch nicht.

Aus der Be­grün­dung lässt sich je­den­falls für das Be­le­gein­sichts­recht her­lei­ten, dass der Ge­setz­ge­ber an der bis­he­ri­gen Rechts­la­ge in­so­fern nichts wirk­lich hat än­dern wol­len, zumal er dazu die Recht­spre­chung des BGH zu dem Thema be­tont. Nicht er­kenn­bar ist auch, dass der Ge­setz­ge­ber die Mie­ter­rech­te ab­sicht­lich hätte ein­schrän­ken wol­len – zumal es um einen gra­vie­ren­den Ein­griff in eines der Kern­rech­te im Zu­sam­men­hang von Ne­ben­kos­ten­ab­rech­nun­gen geht. Das Bü­ro­kra­tie­ent­las­tungs­ge­setz ziel­te le­dig­lich auf eine Ver­ein­fa­chung des Rechts­ver­kehrs. Im Rah­men der te­leo­lo­gi­schen Aus­le­gung spricht also alles dafür, dass es bei der bis­he­ri­gen Re­ge­lung blei­ben soll­te.

Will man aber den­noch den for­mal er­öff­ne­ten Weg des Ge­setz­ge­bers be­schrei­ten, so scheint die Mög­lich­keit, über Klein­ge­druck­tes "ein­ver­nehm­lich" das Be­le­gein­sichts­recht der Mie­te­rin­nen und Mie­ter aus­schlie­ßen zu wol­len, ver­schlos­sen. Der­ar­ti­ge Re­ge­lun­gen wür­den sich an § 307 Abs. 1 und 2 BGB mes­sen las­sen müs­sen. Es be­steht kein Zwei­fel, dass sich dies schon an­ge­sichts der oben bei­spiel­haft ge­schil­der­ten Fol­gen als un­an­ge­mes­se­ne Be­nach­tei­li­gung der Mie­te­rin­nen und Mie­ter dar­stel­len würde. We­sent­li­che Rech­te wür­den ein­ge­schränkt, der Ver­trags­zweck ins­ge­samt ge­fähr­det. Es blie­be der Weg über eine In­di­vi­du­al­ver­ein­ba­rung i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB. Be­kannt­lich hän­gen die Trau­ben für ein wirk­li­ches Aus­han­deln ("do ut des") hoch. Aber auch sol­che Re­ge­lun­gen, wären sie tat­säch­lich in­di­vi­du­ell aus­ge­han­delt wor­den, müss­ten sich an all­ge­mei­nen ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten – die all­ge­mei­ne Recht­mä­ßig­keits- und Bil­lig­keits­kon­trol­le – mes­sen las­sen. Es dürf­te rechts­miss­bräuch­lich sein, sich auf eine ver­trag­li­che Re­ge­lung zu be­ru­fen, die Prü­fungs­rech­te der Mie­te­rin­nen und Mie­ter aus­schlie­ßt, wenn zu­gleich Vor­schüs­se auf Ne­ben­kos­ten­vor­aus­zah­lun­gen ent­ge­gen­ge­nom­men wer­den und ggf. dann auch noch eine Nach­zah­lung ver­langt wird, ohne dass die Mög­lich­keit be­stün­de, sich in­halt­lich gegen sol­che For­de­run­gen zu weh­ren.

Was also bleibt: Der Ge­setz­ge­ber hat Mie­te­rin­nen und Mie­tern wohl un­ge­wollt einen ge­hö­ri­gen Schreck ver­setzt. Es bleibt ab­zu­war­ten, ob es Ver­mie­te­rin­nen bzw. Ver­mie­ter und dann Ge­rich­te gibt, die auf den schein­bar vor­be­rei­te­ten Zug auf­sprin­gen. Chan­cen dürf­te ein sol­ches Vor­ge­hen kaum haben.

Dr. Mi­cha­el Selk ist Rechts­an­walt und Fach­an­walt für Miet- und Woh­nungs­ei­gen­tums­recht, Bau- und Ar­chi­tek­ten­recht sowie Straf­recht bei der Kanz­lei Wei­land Rechts­an­wäl­te in Ham­burg.

Gastbeitrag von Dr. Michael Selk, 15. Januar 2025.

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