Das Bürokratieentlastungsgesetz, in Kraft getreten zum 1. Januar 2025, hat auch im Mietrecht zahlreiche Änderungen gebracht. Die bekannteste Neuerung ist die Ersetzung der Schriftform durch die Textform für Nichtwohnraummietverträge in § 578 Abs. 1 S. 2 BGB. Aber auch an anderer Stelle, nämlich bei den Betriebskostenvereinbarungen, gibt es neue Regelungen.
So wurde etwa der Anspruch des Mieters bzw. der Mieterin, Belege der Nebenkostenabrechnungen einsehen zu können, kodifiziert. § 556 Abs. 4 S. 1 BGB lautet nun: "Der Vermieter hat dem Mieter auf Verlangen Einsicht in die der Abrechnung zugrundeliegenden Belege zu gewähren." Das ist in der Sache nicht neu, da der BGH seit vielen Jahren diesen Anspruch Mieterinnen und Mietern wie selbstverständlich zuspricht. Neu ist lediglich, dass nach Satz 2 Vermieterinnen und Vermieter die Belege elektronisch bereitstellen dürfen.
Ohne Belegeinsicht lässt sich Nachforderung kaum bestreiten
Diese Regelungen sind, abgesehen von Detailfragen, unproblematisch. Indes folgt nun der nächste Absatz 5: "Eine zum Nachteil des Mieters von Absatz 1, Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 oder Absatz 3a abweichende Vereinbarung ist unwirksam." Nicht erwähnt wird hier der eben erläuterte Abs. 4 des § 556 BGB. Damit erlaubt der Gesetzgeber auf den ersten Blick, dass man die Regelungen zum Belegeinsichtsrecht vertraglich ändern kann, wenn die Parteien das wünschen.
Findige Vermieter und Vermieterinnen könnten nun auf den Gedanken kommen, in den Mietverträgen der Mieterseite ihr Recht, Einsicht in die der Abrechnung zugrunde liegenden Belege zu fordern, abzuschneiden. Formulierungen wie "Die Parteien des Mietvertrags sind sich einig, dass der Mieter kein Recht hat, die der einzelnen Abrechnung zugrunde liegenden Belege einzusehen" könnten sich aufdrängen.
Würde man dies wirksam umsetzen können, wäre es ein gravierender Eingriff in Mieterrechte. Man stelle sich vor: Ein Vermieter rechnet binnen der Jahresfrist des § 556 Abs. 3 S.1 BGB formell und materiell korrekt ab, die Abrechnung endet für das Jahr mit einer Nachzahlung von 1.500 Euro zulasten des Mieters. Dieser beanstandet binnen der Jahresfrist des § 556 Abs. 3 S. 5 BGB die Abrechnung – zumal sie deutlich höher ausfällt als in den Vorjahren – und begehrt Belegeinsicht beim Vermieter. Dieser lehnt aber unter Verweis auf den Vertrag die Einsicht ab. Dem Mieter bleibt nur, die Nachforderung pauschal zu bestreiten – dies aber genügt im Regelfall nicht. Die überwiegende Ansicht verlangt eine vorherige Einsichtnahme, damit überhaupt ein wirksames Bestreiten und qualifizierte Einwendungen möglich sind. Damit wäre ohne Einsichtnahmemöglichkeit der Nachforderungsanspruch des Vermieters schlüssig, Einwendungen gäbe es nicht.
Der Wortlaut ist klar
Nun könnte man zunächst gegen dieses Ergebnis vorbringen, dass dem Mieter noch immer das vorige Recht auf Einsichtnahme in die Belege verbleibe – immerhin gab es dieses ja auch schon vor dem 1. Januar 2025. Bis dahin ging man davon aus, dass sich das Belegeinsichtsrecht in § 556 Abs. 3 S.1 1. Hs. BGB a.F. finde und § 259 BGB die Abrechnungspflicht des Vermieters bzw. der Vermieterin nur gegenständlich konkretisiere oder sich das Belegeinsichtsrecht direkt aus § 259 BGB ergebe. Gegen eine solche Argumentation spricht allerdings seit Jahresbeginn 2025 der Grundsatz, dass das lex specialis den allgemeinen Normen vorgeht. § 556 Abs. 4 S. 1 BGB würde anderenfalls überflüssig – und es ist kaum vorstellbar, dass der Gesetzgeber im Rahmen eines Gesetzes, das der Bürokratieentlastung dient, auch noch überflüssige Normen schafft.
Legt man die neue Norm aus, so sprechen Wortlaut und Systematik klar dafür, dass die Vertragsparteien das Recht des Mieters, Belege von Nebenkostenabrechnungen einzusehen, einvernehmlich abändern dürften. Abgesehen von dem eindeutig fehlenden Verweis auf § 556 Abs. 4 BGB in Abs. 5 ist diese Technik, gerade im Wohnraummietrecht von den Normen abweichende Vereinbarungen zu verbieten, dem Gesetzgeber nicht fremd (vgl. z.B. § 536 Abs. 4, § 574 Abs. 4 BGB u.a.) – mit der Folge, dass alles insofern nicht Erwähnte sehr wohl geändert werden kann.
Die historische Auslegung hilft nicht wirklich weiter. Der jetzige Abs. 5 war früher Abs. 4 und wurde wortgleich übernommen (BT-Drs. 20/11306 S.18). In der Begründung verweist die Bundesregierung kurz darauf, dass § 556 Abs. 4 S.1 BGB das Recht der Mieterinnen und Mieter auf Einsicht in die der Abrechnung zugrunde liegenden Belege kodifiziere (S. 100), um dann recht umfassend die Neuregelung des § 556 Abs. 4 S. 2 BGB (elektronische Belege) zu begründen. Für den neuen Abs. 5 findet man dann nur: "Es handelt sich um eine Folgeänderung."
Viel spricht für ein Versehen
Es scheint, als habe man schlicht übersehen, dass es nach dem Einfügen des neuen Abs. 4 durchaus Bedarf gegeben hätte, die "Folgeänderung" noch einmal zu überdenken – und um die wenigen Worte "…Abs. 3a oder Abs. 4" zu ergänzen. Allerdings wäre dies vielleicht zu kurz gedacht, denn das Recht des Vermieters bzw. der Vermieterin auf Bereitstellung in digitaler Form wäre – da es eine Möglichkeit zugunsten der Mieterinnen und Mieter ist – durchaus abdingbar. Nicht gedacht wurde offenbar an den neu kodifizierten Abs. 4 S. 1. Anhaltspunkte, dass man diesen Anspruch nun bewusst als abänderbar regeln wollte, finden sich im Gesetzgebungsverfahren jedenfalls auch nicht.
Aus der Begründung lässt sich jedenfalls für das Belegeinsichtsrecht herleiten, dass der Gesetzgeber an der bisherigen Rechtslage insofern nichts wirklich hat ändern wollen, zumal er dazu die Rechtsprechung des BGH zu dem Thema betont. Nicht erkennbar ist auch, dass der Gesetzgeber die Mieterrechte absichtlich hätte einschränken wollen – zumal es um einen gravierenden Eingriff in eines der Kernrechte im Zusammenhang von Nebenkostenabrechnungen geht. Das Bürokratieentlastungsgesetz zielte lediglich auf eine Vereinfachung des Rechtsverkehrs. Im Rahmen der teleologischen Auslegung spricht also alles dafür, dass es bei der bisherigen Regelung bleiben sollte.
Will man aber dennoch den formal eröffneten Weg des Gesetzgebers beschreiten, so scheint die Möglichkeit, über Kleingedrucktes "einvernehmlich" das Belegeinsichtsrecht der Mieterinnen und Mieter ausschließen zu wollen, verschlossen. Derartige Regelungen würden sich an § 307 Abs. 1 und 2 BGB messen lassen müssen. Es besteht kein Zweifel, dass sich dies schon angesichts der oben beispielhaft geschilderten Folgen als unangemessene Benachteiligung der Mieterinnen und Mieter darstellen würde. Wesentliche Rechte würden eingeschränkt, der Vertragszweck insgesamt gefährdet. Es bliebe der Weg über eine Individualvereinbarung i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB. Bekanntlich hängen die Trauben für ein wirkliches Aushandeln ("do ut des") hoch. Aber auch solche Regelungen, wären sie tatsächlich individuell ausgehandelt worden, müssten sich an allgemeinen gesetzlichen Vorschriften – die allgemeine Rechtmäßigkeits- und Billigkeitskontrolle – messen lassen. Es dürfte rechtsmissbräuchlich sein, sich auf eine vertragliche Regelung zu berufen, die Prüfungsrechte der Mieterinnen und Mieter ausschließt, wenn zugleich Vorschüsse auf Nebenkostenvorauszahlungen entgegengenommen werden und ggf. dann auch noch eine Nachzahlung verlangt wird, ohne dass die Möglichkeit bestünde, sich inhaltlich gegen solche Forderungen zu wehren.
Was also bleibt: Der Gesetzgeber hat Mieterinnen und Mietern wohl ungewollt einen gehörigen Schreck versetzt. Es bleibt abzuwarten, ob es Vermieterinnen bzw. Vermieter und dann Gerichte gibt, die auf den scheinbar vorbereiteten Zug aufspringen. Chancen dürfte ein solches Vorgehen kaum haben.
Dr. Michael Selk ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Bau- und Architektenrecht sowie Strafrecht bei der Kanzlei Weiland Rechtsanwälte in Hamburg.