Niedersachsens Landesregierung hätte Entwurfstext von Corona-Verordnungen vorlegen müssen

Niedersachsens Landesregierung hat den niedersächsischen Landtag in seinem Recht aus Art. 25 Abs. 1 der Landesverfassung auf frühzeitige und vollständige Unterrichtung über die Vorbereitung von Verordnungen verletzt, indem sie es unterlassen hat, ihm den Entwurfstext von drei Corona-Verordnungen jeweils zeitgleich mit der Anhörung der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände zuzuleiten. Dies hat Niedersachsens Staatsgerichtshof in einer Grundsatzentscheidung entschieden.

Organstreitverfahren der Opposition

Konkret ging es in dem von den Landtagsfraktionen der Bündnisgrünen und der FDP gegen die Landesregierung angestrengten Organstreitverfahren um die Niedersächsische Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 02.04.2020, die Niedersächsische Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 08.05.2020 und die Niedersächsische Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 22.05.2020. Die vorgenannten Verordnungen seien, so der Staatsgerichtshof, jeweils erlassen worden, ohne dass eine frühzeitige vollständige Unterrichtung des Niedersächsischen Landtages als Ganzes nach Art. 25 NV erfolgt sei.

Verordnungen sollen wirksam kontrolliert werden können

Art. 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 der niedersächsischen Verfassung bestimmt, dass die Landesregierung verpflichtet ist, den Landtag über die Vorbereitung von Verordnungen frühzeitig und vollständig zu unterrichten, soweit es um Gegenstände von grundsätzlicher Bedeutung geht. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es laut Staatsgerichtshof, den Mitgliedern des Landtages die notwendigen Informationen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu verschaffen und dadurch die Entwicklung von Initiativen einerseits und eine wirksame Kontrolle der Regierungstätigkeit durch das Parlament andererseits zu ermöglichen. Bei den streitgegenständlichen Corona-Verordnungen handele es sich um solche, die Gegenstände grundsätzlicher Bedeutung betreffen, unterstreicht der Staatsgerichtshof. Sie enthielten Regelungen, die weitreichende gesellschaftliche und wirtschaftliche Folgen haben, von erheblicher Grundrechtsrelevanz sind, Entschädigungsansprüche gegen das Land auslösen könnten, in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden und starke Beachtung finden.

Unterrichtung nur einzelner Ausschüsse nicht ausreichend

Die Landesregierung sei ihrer danach bestehenden Unterrichtungspflicht nicht dadurch nachgekommen, dass sie verschiedene Ausschüsse des Niedersächsischen Landtages in unterschiedlichem Umfang über die Pandemielage und die dagegen getroffenen Maßnahmen im Allgemeinen und über die streitgegenständlichen Verordnungen im Besonderen informiert hat. Die Unterrichtungspflicht bestehe nämlich gegenüber dem Landtag als Ganzes. Eine frühzeitige Unterrichtung hätte vorliegend erfordert, den Landtag nach (vorläufigem) Abschluss der internen Willensbildung der Landesregierung zeitgleich mit der erfolgten Anhörung der kommunalen Spitzenverbände vollständig zu informieren. Dies gelte auch dann, wenn aufgrund der Eilbedürftigkeit die Unterrichtung sehr kurzfristig vor der Verkündung der Verordnung erfolge, hebt der Staatsgerichtshof hervor.

Gesamter Entwurfstext – gegebenenfalls samt Begründung – zu übermitteln

Die Unterrichtung über die Vorbereitung von Verordnungen sei nur dann vollständig, wenn der gesamte Entwurfstext dem Landtag übermittelt wird. Ist der Entwurf mit einer Begründung versehen, sei auch diese vorzulegen. Der Unterrichtungsanspruch selbst verpflichte aber nicht zur Erstellung einer Begründung des Verordnungsentwurfs.

Redaktion beck-aktuell, 9. März 2021.