Nach Schlappe vor BVerfG: Frauenrechtlerin will EGMR anrufen

Der Kampf um geschlechtergerechte Sprache in Formularen – er ist noch lange nicht zu Ende. Nachdem das Bundesverfassungsgericht eine entsprechende Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung annahm, zieht Beschwerdeführerin Marlies Krämer nun vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. "Ich gebe nicht auf, ich mache weiter, bis das Rennen gelaufen ist", sagte die 82 Jahre alte Frauenrechtlerin der Deutschen Presse-Agentur am 01.07.2020.

Kampf ums Prinzip

Krämer geht es ums Prinzip. Sie hatte ihre Sparkasse im Saarland verklagt und war 2018 mit 80 Jahren bis vor den Bundesgerichtshof gezogen, weil sie auch in Formularen sprachlich als Frau wahrgenommen und angeredet werden will. In allen Instanzen war sie gescheitert. Der BGH entschied, dass das sogenannte generische Maskulinum im Sprachgebrauch üblich sei und keine Geringschätzung gegenüber Menschen anderen Geschlechts zum Ausdruck bringe. Die Form werde auch in vielen Gesetzen und selbst im Grundgesetz verwendet.

Krämer über BVerfG-Entscheidung empört

"Unerhört, untragbar und rechtswidrig" findet Krämer das. "Die Männer sind immer präsent, sie werden immer genannt und wir werden mit dem generischen Maskulinum totgeschwiegen und so werden wir gesellschaftlich auch behandelt", sagte sie. Dass ihre Verfassungsbeschwerde nun gar nicht erst zur Entscheidung angenommen wurde, sei zusätzlich empörend. "Für mich hört sich das an wie an den Haaren herbeigezogen." Bezeichnend sei überdies, dass die Ablehnung von drei männlichen Verfassungsrichtern unterzeichnet worden sei. 

Erneute Anrufung des BVerfG aufwendig

Ein neuer Anlauf könnte möglicherweise zwar lohnen: "Wäre über die Verfassungsbeschwerde in der Sache zu entscheiden, führte dies zu ungeklärten Fragen der Grundrechtsrelevanz der tradierten Verwendung des generischen Maskulinums sowie zu Fragen der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung von Gleichstellungsgesetzen, die die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache vorschreiben", teilte das Gericht mit. Laut Susanne Christ, Anwältin von Krämer, wäre davor zunächst aber erneut der Weg durch alle Instanzen notwendig.

Anrufung des EGMR "beschlossene Sache"

Der Weg zum EGMR sei hingegen frei, nachdem Krämer den Rechtsweg in Deutschland nun vollständig ausgeschöpft hat. "Wir reichen fristgemäß Klage ein, das ist beschlossene Sache", sagte Christ. "Meine Mandantin ist eine Kämpferin." Allerdings wird es nach ihren Worten zwei oder drei Jahre dauern, bis die Straßburger Richter darüber entschieden haben. Krämer sieht dem gelassen entgegen und freute sich unterdessen über den Zuspruch zahlreicher Unterstützerinnen und Unterstützer. "Zum Glück gibt es ja auch viele lernfähige Männer. Auch das hält meinen Motor am laufen."

Redaktion beck-aktuell, 1. Juli 2020 (dpa).