Streit um Schadenersatzansprüche italienischer Opfer
In der juristischen Auseinandersetzung geht es um die grundlegende Frage, ob italienische Opfer deutscher Kriegsverbrechen während des Zweiten Weltkriegs die Bundesrepublik auf Schadenersatz verklagen können. Der Internationale Gerichtshof hatte dies in einem Urteil 2012 abgelehnt – das oberste Gericht in Italien aber sieht es anders und ließ immer wieder Klagen von Opfern und Hinterbliebenen zu. Dies führte dazu, dass einige Gerichte Deutschland zur Zahlung von Entschädigungen verurteilten. Weil sich die Bundesrepublik weigerte, drohte ihr zum Stichtag 25. Mai die gerichtliche Enteignung und Zwangsversteigerung von Immobilien wie eben den Gebäuden des Goethe-Instituts und der Deutschen Schule, aber auch des Deutschen Archäologischen Instituts und des Deutschen Historischen Instituts.
Römer Dekret: Schadenersatzforderungen sollen aus Fonds beglichen werden
Politisch waren derart heftige Maßnahmen auch in Rom nicht gewollt. Die Regierung beschloss deswegen jüngst ein Gesetzesdekret zur vorläufigen – oder womöglich endgültigen – Lösung des Problems: Für die Opfer der NS-Verbrechen auf italienischem Gebiet wird ein Fonds eingerichtet, aus dem die Schadenersatzforderungen beglichen werden sollen. Für das Jahr 2023 werden 20 Millionen Euro bereitgestellt, für die drei folgenden Jahre jeweils gut 11,8 Millionen Euro. Das Dekret trat am 1. Mai in Kraft, woraufhin Deutschland in einem am 5. Mai in Den Haag eingegangen Brief den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückzog. Die für Montag und Dienstag geplanten ersten Anhörungen in der außergewöhnlichen Causa wurden abgesagt.
Deutschlands Klage in der Hauptsache noch anhängig
Deutschland interpretiert das Dekret so, dass Italiens Gerichte alle derzeit offenen Vollstreckungsmaßnahmen aufheben müssen und künftig nicht mehr gegen deutsches Staatseigentum auf italienischem Boden vorgegangen werden darf. Das schrieb das Auswärtige Amt in dem Brief an das Gericht nach Gesprächen zwischen Rom und Berlin Anfang Mai. Wegen der drohenden Enteignungen drängte die Zeit, daher musste auch zunächst der zusätzliche Eilantrag gestellt werden. Das Verfahren um die eigentliche Klage könnte sich nun aber über Jahre hinziehen, falls Deutschland seine Klage nicht noch in Gänze zurückzieht.
Massaker deutscher Besatzer an italienischen Zivilisten
Die Verbrechen der Wehrmacht und der SS an der Zivilbevölkerung vor allem beim Rückzug aus Italien kurz vor Ende des Krieges werden vielerorts in dem Mittelmeerland auch heute noch aufgearbeitet. Eine deutsch-italienische Historikerkommission kam 2012 zu der Einschätzung, dass damals bis zu 15.000 Zivilisten ermordet wurden. Orte wie Marzabotto bei Bologna, Fivizzano in der Toskana oder die ardeatinischen Höhlen südlich von Rom sind Symbole geworden für die Massaker der deutschen Besatzer an zum Teil Hunderten Zivilisten.