Otto überträgt offene Forderungen auf Tochterunternehmen
Die Otto Group überträgt offene Forderungen gegenüber Verbraucherkunden auf die EOS Investment, die wiederum das Inkassounternehmen EOS Deutscher Inkasso-Dienst GmbH (EOS DID) mit der Eintreibung dieser Forderungen beauftragt. Die Geschäftsanteile der EOS Investment und der EOS DID sind jeweils im Eigentum der EOS Holding GmbH, welche ihrerseits ein 100prozentiges Tochterunternehmen der Otto Group ist. Für die Beauftragung der EOS DID stellt die EOS Investment den Verbraucherinnen und Verbrauchern Inkassokosten in Höhe einer 1,3 Gebühr der Nr. 2300 VV RVG in Rechnung.
vzbv will Konzerninkasso einen Riegel vorschieben
Dieses Vorgehen ist aus Sicht des vzbv rechtswidrig. Verbraucherinnen und Verbraucher müssten für das zwischengeschaltete Inkassounternehmen mindestens 70,20 Euro und seit dem 01.01.2021 mindestens 76,44 Euro zahlen. Teilweise beliefen sich die Kosten auf mehrere hundert Euro. Wenn die EOS Investment selbst die Forderungsschreiben verschicken würde, könnte das Unternehmen nur Mahnkosten von wenigen Euro geltend machen, so der vzbv.
Inkassodienstleistung kann nicht von "verbundenem Unternehmen" erbracht werden
Nach der Darstellung des vzbv hat die EOS DID die geltend gemachten Inkassokosten fälschlich nach § 4 Abs. 5 RDGEG a.F. bestimmt. Demnach sind Inkassokosten für außergerichtliche Inkassodienstleistungen von Inkassodienstleistern bis zur Höhe der einem Rechtsanwalt nach dem RVG zustehenden Vergütung erstattungsfähig (vgl. nunmehr § 13e RDG). Tatsächlich habe die EOS DID, so der vzbv weiter, jedoch als ein mit der EOS Investment und der Otto GmbH & Co. KG im Sinne des § 15 in Verbindung mit §§ 16 - 19 AktG "verbundenes Unternehmen" gar keine Inkassodienstleistungen erbracht. § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG definiere die Inkassodienstleistung nämlich als eine Einziehung fremder Forderungen. Dies sei hier jedoch gerade nicht der Fall. Vielmehr bildeten EOS Investment und EOS DID als Schwesterunternehmen eine wirtschaftliche Einheit. Mit der Musterfeststellungsklage will der vzbv diese Fragen klären und Verbraucher unterstützen.
Neue Klagemöglichkeit für Verbraucherinnen und Verbraucher seit 2018
Das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage ist am 01.11.2018 in Kraft getreten. Seitdem können anerkannte und besonders qualifizierte Verbraucherverbände gegenüber einem Unternehmen zentrale Haftungsvoraussetzungen für alle vergleichbar betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher in einem einzigen Gerichtsverfahren verbindlich klären lassen, ohne dass diese zunächst selbst klagen müssen. Erste Voraussetzung ist, dass mindestens zehn Personen von demselben Fall betroffen sind. Ist dies der Fall, wird die Klage erhoben und sodann in einem Klageregister beim Bundesamt für Justiz öffentlich bekannt gemacht. Melden sich innerhalb von zwei Monaten über 50 Verbraucherinnen und Verbraucher im Klageregister - kostenlos und ohne Anwaltszwang - an, wird das Verfahren durchgeführt (vgl. §§ 606 ZPO ff.). Ein Überblick über die bislang geführten Musterfeststellungsverfahren zeigt die Bandbreite möglicher Fälle.
Erste Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen endete mit Vergleich
Noch am Tag des Inkrafttretens des neuen Gesetzes hat der vzbv die erste Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen beim Oberlandesgericht Braunschweig eingereicht, um gerichtlich feststellen zu lassen, dass der Volkswagen-Konzern seine Kunden durch den Einsatz von Manipulationssoftware vorsätzlich sittenwidrig geschädigt und betrogen hat. Der Klage hatten sich zuletzt über 260.000 Personen angeschlossen. Für die meisten endete das Verfahren im April 2020 mit einem Vergleich, in dem sich VW zur Zahlung von etwa 750 Millionen Euro verpflichtete. Die einzelnen Entschädigungen beliefen sich auf 1.300 bis 6.257 Euro. Eine entsprechende Klage gegen Daimler wurde beim Oberlandesgericht Stuttgart eingereicht.
Klagen gegen VW-Bank und Mercedes-Benz-Bank unzulässig
Zwei weitere Klagen gegen die Volkswagen Bank beim Oberlandesgericht Braunschweig und gegen die Mercedes-Benz-Bank beim Oberlandesgericht Stuttgart blieben erfolglos. Hier ging es um die Widerrufsregelungen in den Kreditverträgen der jeweiligen Bank. Beide Klagen wurden als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin - die Schutzgemeinschaft für Bankkunden e.V. - nach Ansicht der Gerichte nicht klagebefugt war. Die Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof blieben erfolglos.
OLG Dresden: Musterklage gegen Sparkasse Leipzig in erster Instanz erfolgreich
Eine Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen gegen die Sparkasse Leipzig am Oberlandesgericht Dresden war hingegen in erster Instanz erfolgreich. Ihr hatten sich 2019 über 950 Verbraucherinnen und Verbrauchern angeschlossen, die mit der Bank um die Berechnung von Zinsnachzahlungen aus langjährigen variablen Prämiensparverträgen stritten. Das Gericht erklärte die entsprechenden Zinsanspassungsklauseln 2020 für unwirksam. Die Revision wurde aber zugelassen.
BGH: Erste Musterfeststellungsklage im Mietrecht unbegründet
Die erste Musterfeststellungsklage im Mietrecht blieb letztlich erfolglos. Ein Immobilien-Unternehmen wollte für eine Modernisierungsmieterhöhung noch altes Recht nutzen und hatte Ende 2018 eine Modernisierung angekündigt, die erst zwei Jahre später umgesetzt werden sollte. Das dürfe das Unternehmen nicht, entschied das Oberlandesgericht München 2019 in erster Instanz. Die Spanne zwischen der Ankündigung und der tatsächlichen Durchführung sei zu lang. Der Bundesgerichtshof hielt die Klage jedoch für unbegründet. Eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen Ankündigung und Modernisierung bedürfe es nicht. Geklagt hatte ein Mietverein für mehr als 130 Mieterinnen und Mieter der betroffenen Wohnanlage.
OLG München: Insolvenzverwalter eines Energieversorgers unterliegt in Streit um Neukundenboni
In einem Streit um die Auszahlung von Neukundenboni wird die Entscheidung des Bundesgerichtshof noch erwartet. Geklagt hatte der vzbv gegen den Insolvenzverwalter der Bayerischen Energieversorgungsgesellschaft (BEV). Das Oberlandesgericht München entschied in erster Instanz zugunsten den vzbv, dass Neukundenboni auch dann ausgezahlt werden müssen, wenn die eigentlich vorgesehene Mindestvertragsdauer von einem Jahr durch die Insolvenz nicht erreicht wurde. Zudem sollten sie mit Forderungen der BEV an die Kunden verrechnet werden.
EU-Parlament macht Weg frei für EU-Sammelklagen
Im November 2020 wurde schließlich auch die EU-weite Einführung von Sammelklagen beschlossen. Demnach können Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Rechte künftig auch in anderen EU-Staaten durchsetzen. Von den neuen Regeln werden auch Flug- und Zuggastrechte umfasst. Die EU-Länder haben zwei Jahre Zeit, ihre Gesetzgebung entsprechend anzupassen.
Kritiker halten Klagemöglichkeit für zu kompliziert
Die Musterfeststellungsklage stößt auch auch auf Kritik. Manchen ist sie schlichtweg zu kompliziert. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sieht darin "keinen funktionierenden Rechtsschutz". "Wenn sich kein Verband findet, der die Interessen der Betroffenen vertritt, bleiben sie wie bisher auf sich gestellt", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Auch die FDP meldete Zweifel an. Versprochen sei, dass Verbraucher ihr Recht einfacher und schneller durchsetzen könnten. FDP-Fachpolitikerin Katharina Willkomm äußerte noch vor dem Ende des VW-Prozesses gegenüber dem "Handelsblatt" ihre Zweifel: "Die betroffenen Verbraucher, als erstes die geschädigten Dieselfahrer, werden feststellen, dass sich keines dieser Versprechen realisieren wird". Der Deutsche Anwaltverein hatte hingegen insbesondere gefordert, das Verfahren nicht nur auf das Verhältnis Verbraucher-Unternehmer zu beschränken. Auch die Zweistufigkeit des Verfahrens wird immer wieder kritisiert. Nach einem erfolgreichen Feststellungsurteil müssen Betroffene ihren Anspruch noch im Weg der Leistungsklage durchsetzen.
Nächste Schritte im Verfahren gegen EOS
Bei der Musterfeststellungklage gegen EOS Investment hatten sich zunächst 15 Betroffene gefunden. Ab sofort können sich Verbraucherinnen und Verbraucher auf der Internetseite des Bundesamts für Justiz in das Klageregister eintragen. In zwei Monaten prüft das Oberlandesgericht Hamburg, ob sich 50 Personen angeschlossen haben. Wenn ja, dann geht es mit dem Verfahren weiter. Die Anmeldung ist bis zum Ablauf des Vortages der mündlichen Verhandlung möglich, die Abmeldung bis zum Ablauf des Tages der mündlichen Verhandlung selbst. vzbv-Vorstand Klaus Müller zeigt sich optimistisch: "Die Registereröffnung ist der nächste Schritt, um der Vetternwirtschaft der EOS-Gruppe entgegenzutreten. "Jetzt könnten Verbraucherinnen und verbraucher ihrerseits die Geldeintreiber des Otto-Konzerns zur Kasse bitten, kommentierte er den derzeitigen Verfahrensstand.