Mord im Wett­bü­ro: LG Ber­lin ver­ur­teilt acht Hells-An­gels-Ro­cker zu le­bens­lan­ger Haft

In einem der bun­des­weit grö­ß­ten Ro­cker-Pro­zes­se hat das Ber­li­ner Land­ge­richt am 01.10.2019 sie­ben Ro­cker der Hells An­gels wegen ge­mein­schaft­li­chen Mor­des sowie deren Chef wegen An­stif­tung zum Mord zu le­bens­lan­gen Frei­heits­stra­fen ver­ur­teilt. Laut Ur­teil war ein 26-Jäh­ri­ger in einem Wett­bü­ro von einem "Über­fall­kom­man­do" er­schos­sen wor­den, um die "Ehre des Clubs" zu wah­ren. Ei­ni­ge Ver­tei­di­ger kün­dig­ten be­reits Re­vi­si­on an. Auch die Staats­an­walt­schaft prüft die­sen Schritt.

Rich­ter über Grup­pen-Chef: "dis­so­zia­les Al­pha­tier"

Der Chef der Grup­pe sei der An­stif­ter eines mör­de­ri­schen Über­fall­kom­man­dos, einer heim­tü­cki­schen Tö­tung aus nie­de­ren Be­weg­grün­den ge­we­sen, sagte Rich­ter Tho­mas Groß. Er nann­te den 35-Jäh­ri­gen ein "dis­so­zia­les Al­pha­tier", laut und ag­gres­siv. "Ohne ihn lief nichts." Ein wei­te­rer der ins­ge­samt 10 An­ge­klag­ten wurde eben­falls des Mor­des schul­dig ge­spro­chen, bekam aber wegen sei­ner Hilfe bei der Auf­klä­rung des Falls mit zwölf Jah­ren eine nied­ri­ge­re Stra­fe. Der zehn­te An­ge­klag­te er­hielt eine ge­rin­ge Stra­fe.

Rache für Schlä­ge­rei 

13 teils ver­mumm­te Män­ner waren am 10.01.2014 in das Wett­ca­fé im Ber­li­ner Stadt­teil Rei­ni­cken­dorf ein­ge­drun­gen. Der Mann an der Spit­ze feu­er­te im Hin­ter­zim­mer mit einer Pis­to­le auf das Opfer. Sechs Ku­geln tra­fen, der Mann starb noch im Café. Es sei kein aus dem Ruder ge­lau­fe­nes Ge­sche­hen ge­we­sen, bei dem einer ver­se­hent­lich er­schos­sen wird, son­dern Mord, be­ton­te Rich­ter Groß. Der An­schlag vor lau­fen­den Über­wa­chungs­ka­me­ras soll eine Rache für eine Schlä­ge­rei mit einem ver­letz­ten Hells-An­gels-Ro­cker ge­we­sen sein.

Ver­fah­ren dau­er­te knapp fünf Jahre

Der Pro­zess dau­er­te knapp fünf Jahre, das Ur­teil wurde am 300. Ver­hand­lungs­tag ge­fällt. Mehr als 370 Zeu­gen und Sach­ver­stän­di­ge waren ge­hört wor­den. Die meis­ten der deut­schen und tür­ki­schen An­ge­klag­ten sit­zen seit mehr als fünf­ein­halb Jah­ren in Un­ter­su­chungs­haft. Ei­ni­ge schwie­gen im Pro­zess, an­de­re be­strit­ten einen Tö­tungs­auf­trag.

Staats­an­walt­schaft: Ver­ur­tei­lung setzt neue Maß­stä­be

Aus Sicht der Staats­an­walt­schaft hat die Ver­ur­tei­lung der acht Ro­cker der Hells An­gels zu le­bens­lan­ger Haft neue Maß­stä­be ge­setzt. Es sei bun­des­weit das erste Mal, dass mit dem Schuld­spruch eine Grup­pe samt Füh­rungs­rie­ge "von der Stra­ße ge­nom­men wurde", sagte  Kam­s­tra. Das Ge­richt ge­währ­te den Män­nern einen Ab­schlag von etwa zwei Jah­ren, weil das Lan­des­kri­mi­nal­amt laut Ur­teil Feh­ler ge­macht und das Opfer nicht ge­warnt hatte, ob­wohl des­sen Ge­fähr­dung be­kannt ge­we­sen sei. "Die Ab­schlags­ent­schei­dung ist recht­lich ab­so­lu­tes Neu­land", so Kam­s­tra.

Er­mitt­lun­gen gegen drei Be­am­te wegen Tot­schlags durch Un­ter­las­sen

In einem recht­li­chen Hin­weis des LG hieß es im Vor­jahr, das Lan­des­kri­mi­nal­amt habe ge­wusst, dass ein sol­cher Mord pas­sie­ren könn­te, je­doch keine aus­rei­chen­den Ge­gen­maß­nah­men er­grif­fen. Die Staats­an­walt­schaft lei­te­te daher Er­mitt­lun­gen gegen drei Be­am­te wegen Tot­schlags durch Un­ter­las­sen ein. Die Er­mitt­lun­gen dau­er­ten an, sagte eine Spre­che­rin.

LG Berlin, Urteil vom 01.10.2019

Redaktion beck-aktuell, 2. Oktober 2019 (dpa).

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