Missbrauchsbeauftragte gegen Abkehr von Vorratsdatenspeicherung

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, ist gegen die von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) geplante Abkehr von der Vorratsdatenspeicherung. In einem Interview mit der "Deutschen Richterzeitung" sagte Claus: "Ich halte es für ganz wichtig, dass die Ampelkoalition den Regelungsspielraum ausschöpft, den der Europäische Gerichtshof für eine Speicherung von IP-Adressen eröffnet hat."

EuGH setzt enge Grenzen für Speicherung

Gerade im Bereich der Missbrauchsdarstellungen seien die Ermittlungsmöglichkeiten ohne einen Zugriff auf die IP-Adressen der verwendeten Computer oder Smartphones deutlich reduziert, so Claus weiter. "Die Ermittlerinnen und Ermittler stehen heute aber immer wieder vor der Situation, dass die Unternehmen gar nichts speichern. Es braucht also eine Speicherpflicht in Übereinstimmung mit den Vorgaben des EuGH, um IP-Adressen generell für einen bestimmten Zeitraum zu sichern und so für die Verfolgung von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie nutzbar zu machen." Der EuGH hatte im September der Speicherung von Telekommunikationsdaten zur Aufklärung von Straftaten in Deutschland enge Grenzen gesetzt. Die Richter urteilten, die derzeit ausgesetzte Regelung in Deutschland sei mit EU-Recht unvereinbar. Sie erklärten aber zugleich, dass zur Bekämpfung schwerer Kriminalität eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen möglich sei.

Claus: Quick-Freeze-Verfahren weniger wirksam

Das von Buschmann favorisierte Quick-Freeze-Verfahren, zu dem das Bundesjustizministerium bald einen Entwurf vorlegen will, hält Claus für weniger wirksam. Bei diesem Verfahren werden Telekommunikationsanbieter verpflichtet, bei einem Anfangsverdacht Daten zu einzelnen Nutzern für einen bestimmten Zeitraum zu speichern. Immerhin einen Vorteil hätte Quick Freeze für die Ermittler: Wenn ein Richter das "Einfrieren" der Daten zu einem bestimmten Verdachtsfall angeordnet hat, stünden dazu neben der IP-Adresse auch Verbindungs- und Standortdaten zur Verfügung. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sowie mehrere Landesinnenminister hatten sich in den vergangenen Wochen – im Gegensatz zu Buschmann und der FDP – für eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. 

Plädoyer für Schutz von Kindern und Jugendlichen

Politiker müssten sich bewusst machen, dass hinter jedem Film, hinter jedem Bild eine ganz reale Gewalttat stehe, die es schnellstmöglich aufzudecken gelte, um Kinder aus ihrer Notlage zu befreien. "Es ist nicht die Zeit für politische Blockaden, sondern für schnelle, wirksame Lösungen. Meine klare Erwartung an die Bundesregierung ist, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen Vorrang hat und sie eine Speicherung von IP-Adressen nach Maßgabe des EuGH-Urteils sehr schnell möglich macht", sagte Claus der "Richterzeitung".

Redaktion beck-aktuell, 24. Oktober 2022 (dpa).