Milliarden-Vergleich: Daimler legt Diesel-Verfahren in USA bei

Seit Jahren hat die US-Justiz den Autobauer Daimler wegen angeblich frisierter Abgaswerte im Visier. Nun gelingt dem Konzern ein Schlussstrich. Mit einer Zahlung von umgerechnet mehr als 1,9 Milliarden Euro will Daimler in den USA den Streit beilegen, teilten das US-Justizministerium und der Konzern am 14.09.2020 mit.

Vergleich mit klarer Botschaft

Daimler und seiner Tochter Mercedes-Benz USA wurden überhöhte Abgaswerte bei rund 250.000 Dieselwagen vorgeworfen. Der Vergleich sende eine "klare Botschaft“ an Autohersteller, dass die US-Regierung bei der Einhaltung von Emissionsstandards hart durchgreife, sagte der Leiter der Umweltbehörde EPA, Andrew Wheeler gegenüber den Medien. Daimler habe dubiose Software zur Abgaskontrolle gegenüber den Behörden nicht offengelegt.

Zivilrechtliches Bußgeld von 875 Millionen Dollar

Das Justizministerium verhängte nach eigenen Angaben ein zivilrechtliches Bußgeld von 875 Millionen Dollar. Insgesamt werde der Vergleich Daimler rund 1,5 Milliarden Dollar kosten. Der Konzern selbst hatte bereits im August 2020 verkündet, bezüglich der Rechtskonflikte eine Grundsatzeinigung nicht nur mit den Behörden, sondern auch mit privaten Klägern in den USA erzielt zu haben. Jetzt lieferte Daimler auch hierzu Details. Demnach werden zur Beilegung der US-Sammelklagen von Autobesitzern rund 700 Millionen Dollar fällig, sodass sich der rechtliche Befreiungsschlag in den USA insgesamt auf deutlich mehr als zwei Milliarden Dollar summiert.

Vergleich ohne Schuldeingeständnis

Ob die in den Fahrzeugen verwendeten Funktionen "defeat devices" sind, also eine unzulässige Abschalteinrichtung der Abgasreinigung, werde in dem Vergleich aber nicht festgestellt, betonte Daimler. Anders als der VW-Konzern, der 2015 auf Druck der US-Behörden Abgasbetrug im großen Stil eingeräumt hatten, gibt Daimler im Rahmen der Vergleiche kein Schuldeingeständnis ab und muss auch keine Fahrzeuge von Kunden zurückkaufen oder sich künftig durch einen Aufpasser von den US-Behörden überwachen lassen. "In den Vergleichsvereinbarungen wird explizit festgehalten, dass das Unternehmen die Vorwürfe der Behörden sowie die Ansprüche der Sammelkläger bestreitet und keine Haftung gegenüber den USA, Kalifornien, den Klägern oder in sonstiger Weise einräumt."

Pflicht zu Nachbesserung per Software-Update

Seit 2016 ist Daimler wegen angeblich frisierter Messwerte zum Ausstoß des Schadstoffs Stickoxid im Visier der US-Justiz. Gezielte Manipulationen der Abgastechnik mit einer Schummelsoftware, wie sie jahrelang bei Volkswagen zum Einsatz kam, hatte der Konzern jedoch stets zurückgewiesen. Dafür muss Daimler die Autos ähnlich wie in Europa per Software-Update nachbessern, hinzu kommen weitere Umweltmaßnahmen, für die der Konzern zur Kasse gebeten wird. Zusätzlich zu den in den Vergleichen festgelegten Summen rechnet Daimler mit Kosten in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe für die Umsetzung der Einigung.

Strafrechtliche Konsequenzen nicht auszuschließen

Ganz abhaken kann Daimler das Thema allerdings noch nicht. Die Vergleiche müssen in den USA noch gerichtlich genehmigt werden und beenden nur Zivilverfahren, sodass weitere strafrechtliche Konsequenzen nicht auszuschließen sind. Die US-Umweltbehörden pochen seit den massiven Verletzungen des Luftreinhaltungsgesetzes durch VW penibel auf die Einhaltung der Emissionsstandards und haben auch dem italienisch-amerikanischen Autobauer Fiat Chrysler schon einen teuren Vergleich abgerungen. US-Sammelklagen wegen angeblicher Abgasmanipulationen laufen auch noch gegen einige andere Autobauer.

Klägeranwälte mit Vergleich zufrieden

Die Klägeranwälte verbuchten den jetzt gefundenen Kompromiss als Erfolg. "Besitzer von schmutzigen Mercedes-Dieselautos werden endlich die Kompensationen erhalten, die sie verdienen", erklärte Steve Berman. Der bekannte US-Anwalt leitet die Großkanzlei Hagens Berman, die schon vielen anderen Konzernen, darunter VW in der "Dieselgate"-Affäre oder General Motors im Skandal um defekte Zündschlösser zu schaffen machte. Seiner Firma nach können betroffene Mercedes-Besitzer durch den Vergleich je 3.290 Dollar oder mehr an Entschädigung erhalten.

Redaktion beck-aktuell, 15. September 2020 (dpa).