Lauterbach: Beschluss von "historischer Bedeutung"
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, Arbeitnehmer profitierten jeden Monat konkret auf ihrer Lohnabrechnung. "Das ist die gute Botschaft." Selbst bei steigenden Pflegebeiträgen bleibe im kommenden Jahr mehr Netto vom Brutto. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach sprach von einem Beschluss von "historischer Bedeutung", mit dem eine schleichende Privatisierung des Gesundheitssystems abgewendet werde. Für das Gesetz stimmten die Koalition und die Grünen, dagegen votierte die FDP. AfD und Linke enthielten sich. Im Bundesrat sind die Pläne nicht zustimmungspflichtig.
Kernanliegen der SPD in der großen Koalition
Zulasten der Arbeitnehmer aufgeweicht worden war die traditionelle Parität bei den Beiträgen vor 13 Jahren. Von 2005 bis 2014 mussten sie einen Sonderbeitrag von 0,9% zahlen – dies sollte damals die Arbeitgeber entlasten. Seit 2015 setzt sich der Beitrag aus einem einheitlichen allgemeinen Satz und einem flexiblen Zusatzbeitrag zusammen. Der feste Satz liegt bei 14,6% und wird je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert. Zusatzbeiträge, die Kassen für sich festlegen können, schultern die Mitglieder bisher allein. Sie liegen derzeit im Schnitt bei 1,0%. Die Rückkehr zur Parität war ein Kernanliegen der SPD in der großen Koalition.
Verbraucherschützer: Bedeutung der Änderung nimmt über die Jahre zu
Der Gesundheitsexperte des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Kai Helge Vogel, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Das ist eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft." Zwar seien kurzfristige Einsparungen nicht so groß. Bei einem Zusatzbeitrag von 1% und einem Bruttoeinkommen von 2.000 Euro seien es 10 Euro im Monat. Doch da die Gesundheitskosten absehbar immer weiter steigen, weil die Bevölkerung älter wird und der medizinisch-technische Fortschritt teuer ist, falle der Schritt langfristig immer stärker ins Gewicht.
Lob für Entlastung von Selbstständigen mit geringen Einkommen
Verbraucherschützer Vogel lobte die ebenfalls beschlossene Entlastung von Selbstständigen mit geringen Einkommen. Diese seien durch die Krankenkassenbeiträge bisher oft völlig überlastet. Das betreffe vor allem Solo-Selbstständige wie Kioskbesitzer oder Taxiunternehmer. Laut Gesetz verringert sich der Mindestbeitrag für hauptberuflich Selbstständige von rund 360 Euro auf rund 156 Euro. Auch bisher vorgeschriebenen Nachweise sollen wegfallen.
Reform des komplizierten Finanzausgleichs als Voraussetzung
Gesetzliche Kassen mit besonders großem Finanzpolster müssen Reserven zudem ab 2020 binnen drei Jahren abbauen. Bedingung ist aber, dass bis dahin eine Reform des komplizierten Finanzausgleichs unter den Kassen geschafft ist. Kassen, bei denen die Rücklagen mehr als eine Monatsausgabe ausmachen, dürfen den Zusatzbeitrag nicht mehr anheben. Das Gesetz sieht unter anderem auch vor, dass frühere Zeitsoldaten leichter in gesetzliche Krankenkassen kommen können.
Entlastungen von bis zu acht Milliarden Euro
Insgesamt geht es um Entlastungen von bis zu acht Milliarden Euro – neben der hälftigen Beitragsfinanzierung auch durch die Entlastungen für Selbstständige und mögliche Senkungen durch Abbau von Reserven.
Pflegebeitrag wird um 0,5 Punkte erhöht
Unabhängig von dem Gesetz hat Spahn signalisiert, dass es 2019 beim durchschnittlichen Zusatzbeitrag Spielraum für eine Senkung um 0,1 Punkte auf 0,9% gibt. Über den tatsächlichen Zusatzbeitrag entscheiden die Kassen dann aber jeweils selbst. Zum Jahreswechsel sollen außerdem der Pflegebeitrag um 0,5 Punkte erhöht und der Arbeitslosenbeitrag um 0,5 Punkte gesenkt werden.