Der "Entwurf eines Gesetzes zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland (Zustrombegrenzungsgesetz)" trägt einen sperrigen Titel und hat doch in den vergangenen Wochen für viel Aufsehen gesorgt, nicht zuletzt, weil Unionschef Friedrich Merz bei der – letztlich gescheiterten – Abstimmung eine Mehrheit mit der AfD in Kauf nahm. Anlass seiner Einbringung waren vor allem sicherheitspolitische Erwägungen vor dem Hintergrund der jüngsten Anschläge in deutschen Städten. Die Diskussion zu dieser Thematik wird sich auch nach der Wahl des neuen Bundestages fortsetzen. Wer aber darauf hofft, allein mit einer Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen über die Zuwanderung ein deutlich höheres Sicherheitsniveau zu erreichen, wird aller Voraussicht nach enttäuscht werden. Das Migrationsrecht und das Sicherheitsrecht verfolgen im Schwerpunkt unterschiedliche Ziele und unterliegen unterschiedlichen Rationalitäten.
Das Asylgesetz ist kein personenbezogenes Gefahrenabwehrrecht, das vorrangig auf den Schutz der öffentlichen Sicherheit ausgerichtet wäre. Es regelt in Konkretisierung des verfassungsrechtlich fundierten Asylrechts in Art. 16a Abs. 1 GG insbesondere die Rechtsstellung von Asylberechtigten, das Asylverfahren und die Aufenthaltsbeendigung. Auch das Aufenthaltsgesetz verfolgt nicht primär Sicherheitsziele. Es soll den Zuzug von Ausländerinnen und Ausländern nach Deutschland steuern und die Zuwanderung unter Berücksichtigung der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland gestalten (§ 1 Abs. 1 und 2 AufenthG). Das Sicherheitsrecht hingegen zielt auf die Abwehr von Gefahren durch Maßnahmen gegenüber Gefährdern und Störern.
Rationalität und Fakten statt "Emotionsdemokratie"
Regelungen zum Schutz vor illegaler Migration schützen in erster Linie vor dieser. Als sicherheitspolitisches Steuerungsinstrument zur Bekämpfung anderweitiger Gefahren eignen sie sich allenfalls mittelbar. Die Diskussion darüber ist leider oft von Spekulationen und Vorurteilen geprägt, die darin nichts zu suchen haben. Wenn man sicherheitspolitische Entscheidungen mit erheblichen Auswirkungen auf die Grund- und Menschenrechte trifft, müssen diese auf einer soliden Faktenbasis stehen. Dabei lässt sich das Zahlenmaterial allerdings nicht immer nur in eine Richtung interpretieren, Studien sind anfällig für einen vorgeprägten Zuschnitt der Forschungsarchitektur und ihre repräsentative Aussagekraft hat Grenzen. Ungeachtet der damit geforderten methodischen Wachsamkeit und trotz der Entscheidungs- und Ausgestaltungsspielräume des Gesetzgebers darf dieser nicht Normen "ins Blaue hinein" schaffen und verändern. Rationalität und Tatsachenorientierung sind schon verfassungsrechtlich geboten; eine "Emotionsdemokratie" führt gerade im Zusammenhang mit der zentralen Staatsaufgabe der Sicherheitsgewährleistung auf gefährliches Terrain.
Vor diesem Hintergrund liegt auf der Hand: Eine nach gesetzgeberischem Tätigwerden verlangende Sicherheitsrelevanz hätte Migration (nur) dann, wenn man eine signifikant höhere Kriminalitätsrate von Zugewanderten feststellen könnte. Man muss zudem deutlich sagen: Die schrecklichen und in aller Schärfe zu verurteilenden Anschläge der zurückliegenden Monate sind nicht repräsentativ für das Gesamttableau strafbarer Handlungen und auch nicht für "Ausländerkriminalität". Ihre Ursachen und Hintergründe müssen akribisch untersucht und ausgeleuchtet werden, um Konzepte und Maßnahmenbündel zu entwickeln, die vergleichbare Straftaten in Zukunft verhindern könnten. Mit verschärften Zuwanderungsregeln lassen sie sich allerdings nicht ausschließen – auch über einen längeren Zeitraum in Deutschland lebende und integrierte Menschen mit Migrationshintergrund (und auch solche ohne) können sich radikalisieren oder infolge eigener Gewalterfahrungen, einer psychischen Erkrankung oder Traumatisierung, in einer akuten Belastungssituation oder aus religiöser Verblendung spontane Tatentschlüsse fassen. Einzeltäterinnen und -täter, Zellen und Gruppierungen werden auch künftig Anschläge planen und durchzuführen versuchen.
Was es wirklich braucht: Prävention und mehr Ressourcen für Sicherheitsbehörden
Um solche Taten verhindern zu können, müssen die Sicherheitsbehörden gestärkt werden – durch ein modernes und grundrechtssensibles Befugnisinstrumentarium, eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung und einen zügigeren Informationsfluss zwischen Polizei und Verfassungsschutzbehörden. Aus anderen Rechtskreisen herüberschwappende Forderungen wie "abolish the police" oder "defund the police" sind angesichts der vielfältigen Herausforderungen der Sicherheitsgewährleistungen nichts weiter als ideologische Kindereien.
Was die Kriminalität von Zugewanderten jenseits der angesprochenen massiven Straftaten angeht, ist die Bewertung komplexer. Das Bundeskriminalamt führt auf der Grundlage der Meldungen der Landeskriminalämter die jährliche Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS), die allerdings kein exaktes Spiegelbild der Kriminalitätswirklichkeit, sondern eine mehr oder weniger genaue Annäherung an die Realität bietet. Für 2023 weist die Statistik einen Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger von 41,1% und einen Anteil von Zugewanderten von 17,9% aus, gemessen an der Anzahl der Tatverdächtigen insgesamt. Dies ist sicherlich keine marginale Quote, zugleich wird aber deutlich, dass Zuwanderung keineswegs einen so erheblichen "Delinquenzmotor" darstellt, wie dies mitunter öffentlich propagiert wird. Hinzu kommt, dass die PKS etwa ein in Studien nachgewiesenes differierendes Anzeigeverhalten bei nichtdeutschen Tatverdächtigen nicht berücksichtigt und im Anteil deutscher Staatsangehöriger auch Menschen mit Migrationshintergrund verzeichnet. Ihr Aussagegehalt hinsichtlich einer "Ausländer"- bzw. "Zugewandertenkriminalität" ist damit mit Vorsicht zu genießen; die Zahlen geben sicherlich Anlass zu weiteren Erhebungen und Analysen, sicherheitspolitische Richtungsentscheidungen sollten aber nicht auf sie allein gestützt werden.
Zudem können die Entstehungsbedingungen für die Kriminalität von Zugewanderten und von Menschen mit Migrationshintergrund aufgrund ihrer wirtschaftlichen, sozialen und menschlichen Situation von denen der "Deutschenkriminalität" abweichen. Hier sollten die Anstrengungen gebündelt werden: Integration und damit eine präventive Bekämpfung der Kriminalität sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, mit der die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden in den Bereichen der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung unterstützt werden muss.
Zur Ehrlichkeit gehört auch: Abschiebungen müssen konsequent durchgeführt werden
Es erscheint daher weitaus zielführender, die bereits gegenwärtig geltenden Vorschriften konsequent anzuwenden als sie weiter zu verschärfen – setzen sich die bestehenden Vollzugsdefizite fort, helfen auch striktere Bestimmungen nicht weiter. Aufhören müssen dann allerdings auch die ideologisch motivierte Verschleppung oder Verhinderung von rechtmäßigen Abschiebungen, Vorwürfe gegen und Angriffe auf Sicherheitskräfte, die entsprechende Maßnahmen umsetzen (wollen), reflexartige Widerstände gegen die verfassungskonforme Erweiterung und Modernisierung polizeilicher Eingriffsbefugnisse und naive Forderungen nach dem Einlass und Verbleib eines jeden im Sinne einer grenzenlosen "Willkommenskultur".
Es ist sinnvoll, wenn die Behörden wissen, wer sich in Deutschland aufhält – nur dann können sie zielgerichtet sicherheitsbezogene Maßnahmen treffen. Es ist sinnvoll, diejenigen notfalls mit Zwang aus dem Land zu bringen, die sich nicht rechtmäßig hier aufhalten und bei denen keine Aussicht besteht, einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Erst wenn das geltende Recht konsequent angewendet wird und sich künftig belastbar ergibt, dass von Zugewanderten ein deutlich erhöhtes Gefahrenpotenzial ausgeht, kann man darüber nachdenken, die gesetzlichen Bestimmungen nachzujustieren – und zwar nicht in politischen Schnellschüssen, sondern auf der Grundlage einer fundierten und sorgfältigen Gesetzesfolgenabschätzung.
"Ausländerkriminalität" ist bei Weitem nicht das einzige Problem
Die Fokussierung auf die Migrationsthematik im aktuellen sicherheitspolitischen Diskurs birgt darüber hinaus das Risiko, andere Probleme aus dem Blick zu verlieren. "Whataboutismus" ist auch hier untunlich, weil Gefährdungspotenziale nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Gleichwohl kämpfen die Sicherheitsbehörden an vielen Fronten, und die Instrumente der Kriminalprävention müssten multilateral zum Einsatz kommen, um aktuelle Phänomene in den Griff zu bekommen. Beispielhaft zu nennen sind Femizide und häusliche Gewalt, Jugenddelinquenz (in deren Kontext aktuell ebenfalls grob simplifizierende "Lösungen" wie die Absenkung des Strafbarkeitsalters erörtert werden), Cyber-Kriminalität und Desinformationskampagnen aus dem Ausland. Aus sicherheitsrechtlicher Perspektive ist es schließlich ein Problem, wenn auf politischer Ebene – noch dazu in Gestalt leicht zu durchschauenden Wahlkampfgetöses – eine pauschale Angst vor Migrantinnen und Migranten geschürt wird. Es drohen nicht nur zunehmende Übergriffe und Gewalttaten ihnen gegenüber, auch das subjektive Sicherheitsgefühl wird in größtenteils irrationaler Weise beeinflusst.
Eine Begrenzung der Zuwanderung mag anderen Zielen dienen, beispielsweise wirtschaftlichen, arbeitsmarktpolitischen oder sozialen. Als Instrument zur Sicherheitsgewährleistung sollte man sie aber nicht primär verstehen. Sie kann zu dieser beitragen, muss aber zwingend durch weitere Maßnahmen flankiert werden – es wäre politisch sinnvoller und redlicher, diese gleich mit in den Blick zu nehmen.
Prof. Dr. Dr. Markus Thiel lehrt Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Polizeirecht an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster. Seine Habilitationsschrift trägt den Titel „Die ‚Entgrenzung‘ der Gefahrenabwehr. Grundfragen von Freiheit und Sicherheit im Zeitalter der Globalisierung“ (Mohr Siebeck, Tübingen 2011).