Seit vergangener Woche liegt der Koalitionsvertrag vor, über den Union und SPD zuvor so lange und intensiv verhandelt haben. Noch ist nichts sicher, die SPD-Mitgliederinnen und -Mitglieder müssen noch zustimmen. Doch ein Blick aus mietrechtlicher Perspektive zeigt, dass auch die Inhalte des Vertrags viel Spielraum für Interpretation lassen.
Unter 1.3. des Koalitionsvertrages findet sich ab Rn. 703 das Thema "Bauen und Wohnen". Wenn es um die Miete geht, muss man allerdings schon genau hinsehen. Ab Rn. 779 geht es so richtig los, doch manche mietrechtlichen Komponenten sind etwas versteckt schon in den ersten Teilen dieses Abschnitts enthalten.
Mietrecht specialis
Da geht es zunächst um bauplanungsrechtliche Aspekte, sodann um das private Baurecht, das vereinfacht werden soll, und folgend um Wohnungsbauförderungsideen sowie das Erreichen der Klimaziele mithilfe des Baurechts. Die neue Bundesregierung möchte auch den Verbraucherschutz zur Durchsetzung von Mieterrechten für junge Menschen stärken und auch das "barrierefreie, altersgerechte Wohnen" (Rn. 768) hat mietrechtlichen Gehalt, obwohl es sich im eigentlichen Abschnitt zum Mietrecht noch gar nicht findet. Ähnliches gilt für die geforderten Neubauwohnungen für unter 15 Euro pro qm, Rn. 747.
Der eigentliche mietrechtliche Inhalt des Koalitionsvertrags fällt dann eher knapp aus (Rn. 779 bis 793). Im Einzelnen: Der neue Gesetzgeber möchte die Mietpreisbremse in angespannten Wohnungsmärkten nun für vier Jahre verlängern und kommt hier – nachdem zunächst nur von einer Verlängerung von zwei Jahren die Rede war – den Forderungen von Mieterverbänden nach.
Allerdings gewinnt man dann den Eindruck, dass sich Union und SPD bei vielen Fragen noch nicht einig geworden sind. So werden diverse Komplexe in eine Expertengruppe, der Mieter- und Vermieterorganisationen angehören, verschoben, die bis zum 31.12.2026 dazu Ergebnisse "vorbereiten" soll. Hier geht es um die "Harmonisierung von mietrechtlichen Vorschriften, eine Reform zur Präzisierung der Mietwucher-Vorschrift im Wirtschaftsstrafgesetz und eine Bußgeldbewehrung bei Nichteinhaltung der Mietpreisbremse" (Rn. 780ff).
Aufatmen unter Vermietern?
Eineinhalb Jahre Zeit, um zunächst nur Ergebnisse vorzubereiten? Das ist noch lange hin, und eine etwaige Umsetzung der Ergebnisse der Arbeitsgruppe in Gesetzesform dürfte dann erst zum Ende der Legislaturperiode stehen. Aus Mietersicht bedeutet dies, dass – geht es etwa um die strafbare Mietpreisüberhöhung gemäß § 5 WiStG – einige Jahre sich nichts ändern wird. Vermieter können insofern beruhigt aufatmen. Überhöhte Mieten zu vereinbaren hat weiterhin nur die bislang ohnehin bekannten Konsequenzen, aber keine weiteren. Das mag im Frankfurter Sprengel anders sein, wo das OLG Frankfurt – abweichend von der Linie des BGH – sehr geringe Anforderungen an die Voraussetzung des "Ausnutzens" in subjektiver Hinsicht stellt, im übrigen Bundesgebiet indes bleibt ein Verstoß gegen § 5 WiStG in der Regel folgenlos.
Wenn es denn hier irgendwann zu Ergebnissen kommen sollte, so sei schon jetzt darauf hingewiesen, dass die geplante Bußgeldbewehrung bei Verstößen gegen die Mietpreisbremse kaum Wirkung zeigen wird, wenn man diese Verstöße im subjektiven Tatbestand wie jetzt in § 5 Abs. 1 WiStG nur an leichtfertiges oder vorsätzliches Verhalten von Vermietern knüpft.
Regulierung von Indexmieten kommt zu spät
Was unterdessen mit der versprochen "Harmonisierung von mietrechtlichen Vorschriften" gemeint ist, bleibt momentan noch unklar. Man könnte kritisch fragen, ob und wo das Mietrecht als "unharmonisch" empfunden wird – und würde vermutlich eher leere Blicke ernten. Gemeint sein könnten mögliche widersprüchliche Regelungen im Wohn- und Gewerbemietrecht. Hier aber muss man nun raten. Will der Gesetzgeber die in der Tat unübersichtlichen Normen zur fristlosen Kündigung bei Zahlungsverzug in § 543 BGB einerseits und § 569 Abs. 3 BGB andererseits einer einheitlichen Formulierung in einer Norm zuführen? Sollen die Kündigungsfristen in § 573c BGB und § 580a BGB vereinheitlicht werden? Vermutlich nicht. Hier darf man gespannt sein, was in den nächsten Wochen und Monaten noch an weiteren Erläuterungen zum Thema Harmonisierung durchdringt.
Weiter ist geplant, in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten die Indexmieten, Mietverträge über möblierten Wohnraum und Kurzzeitvermietungen einer "erweiterten Regulierung" zu unterwerfen. Vor allem Mieterverbände hatten in den letzten Jahren beanstandet, dass die damals noch hohe Inflation zu Nettokaltmieten führte, die teilweise dann aufgrund der Preissteigerung deutlich über der ortsüblichen Nettokaltmiete lagen. Hier ist das Kind indes bereits in den Brunnen gefallen, und in Zeiten eher moderater Inflation wie jetzt rückwirkend sicher nicht zu ändern. Wichtiger erscheinen in der Tat Regelungen, die die Versuche einschränken, über angeblich möblierten Wohnraum oder kurze Mietverträge der Mietpreisbremse bzw. der ortsüblichen Vergleichsmiete ausweichen zu wollen, auch wenn die Rechtsprechung hier teilweise schon eigene Schranken entwickelt hat.
Schwarz-rot verspricht transparentere Nebenkosten
Weiterhin will die künftige Regierung die Modernisierungsumlage ändern, um Anreize zu setzen für wirtschaftliche Investitionen in die Wohnungsbestände, gleichzeitig will sie aber auch mehr für bezahlbare Mieten tun. Wie hier der angedachte Spagat gelingen soll, ist unklar – positiv formuliert: Man darf auf diese Änderungen sehr gespannt sein. Der Wunsch von Union und SPD, hier das "Vermieter-Mieter-Dilemma" (Rn. 787) auflösen zu wollen, bleibt kryptisch, zumal die Modernisierungsmieterhöhung nun sicher nicht der zentrale Konflikt zwischen Mieter- und Vermieterseite ist.
Ein konkretes Versprechen ist schließlich, dass die Grenze für sogenannte Kleinmodernisierungen bis Ende dieses Jahres auf 20.000 Euro angehoben werden soll. Momentan liegt die Grenze bei 10.000 Euro. Große Bedeutung wird eine solche Änderung indes nicht erlangen. Dies kann bei der offenbar beabsichtigten Änderung des Nebenkostenrechtes anders aussehen: Hier sollen Nebenkosten für Mieterinnen und Mieter "transparenter und einfacher nachzuvollziehen" sein. Diese wenig genaue Formulierung (geht es etwa um die Vorauszahlungen von Nebenkosten oder um Nebenkostenabrechnungen, um Belegeinsicht o.ä.?) lässt ebenfalls viel Interpretationsspielraum.
Bonbons für Mietrechtler: Nationale Berichterstattung und Schonfristregelung
Angekündigt werden auch steuerliche Anreize bei "günstigen" Vermietungen und eine "nationale Mietenberichterstattung". Was sich hinter letzterem verbirgt, bleibt unklar. Wunschdenken – auch Thema des 27. Deutschen Mietgerichtstags 2025 in Dortmund – von Mietrechtlerinnen und Mietrechtlern wäre eine statistisch valide Erfassung etwa von Eigenbedarfskündigungen, insbesondere in den Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten. Hier wäre es etwa hilfreich zu wissen, wie viele überhaupt ausgesprochen und wie viele nur angedroht werden oder welche Mieterinnen und Mieter vor einem Räumungsprozess ausziehen. Sollte dies tatsächlich gemeint sein, könnte das hilfreiche Erkenntnisse für die Praxis bringen.
Und endlich kommt sie: die Schonfristregelung für die Fälle der ordentlichen Kündigung bei Zahlungsverzug. Schon im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung war sie angekündigt, wurde aber nie umgesetzt. Die Regelung des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB soll nun auch für die Kündigung gemäß § 573 Abs. 1 BGB gelten – eine Forderung, die nicht nur von Mieterverbänden seit Jahren aufgestellt worden ist, sondern auch aus großen Kreisen der Richterschaft stammt. Der BGH hat bekanntlich wiederholt Versuchen eine Absage erteilt, die "Heilungsvorschrift" auch auf fristgemäße Kündigungen wegen Zahlungsverzugs anzuwenden. Damit wäre dieses Thema vom Tisch – auf die Übergangsvorschriften darf man gespannt sein.
Vieles von dem, was der Koalitionsvertrag ankündigt, bedarf also denknotwendig noch der Präzisierung. Und während alte Forderungen wie die Schonfristregelung endlich umgesetzt werden sollen, fehlt manches wiederum völlig – wie etwa eine neue Regulierung von Eigenbedarfskündigungen. Man muss daher hoffen, dass die nicht erwähnten Themen Gegenstand der Expertengruppe sein werden, die die künftige Regierung einsetzen will.
Dr. Michael Selk ist Rechtsanwalt in Hamburg sowie Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Bau- und Architektenrecht sowie Strafrecht.