Der Menschenrechtskommissar des Europarats hat mehrere Beschwerden von in der Türkei inhaftierten Journalisten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unterstützt. Darunter ist auch die Klage des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel. Nils Muižnieks zweifelt in seiner am 19.10.2017 in Straßburg veröffentlichten Stellungnahme an den Gerichtshof daran, dass es für die Untersuchungshaft der Journalisten irgendeinen legitimen Grund gebe.
Erosion der unabhängigen Justiz in der Türkei
Hinzu komme eine Erosion der unabhängigen Justiz in der Türkei, und das nicht erst seit dem Putschversuch im Juli 2016. Das türkische Verfassungsgericht habe bisher über keine Beschwerde von inhaftierten Journalisten entschieden. Zwei Verfassungsrichter und insgesamt fast ein Viertel der Mitglieder der Justiz seien entlassen worden. Dies schaffe eine "Atmosphäre der Angst".
Fehlende Rechtsmittelerschöpfung könnte Klagen unzulässig machen
Bevor sich Bürger an den Menschenrechtsgerichtshof wenden können, müssen sie in dem Land, gegen das sich ihre Beschwerde richtet, bis in die letzte Instanz gehen. Die in Straßburg anhängigen Klagen der Journalisten könnten deshalb unzulässig sein. Allerdings kann der Gerichtshof eine Ausnahme von diesem Grundsatz machen, wenn "besondere Umstände" vorliegen – etwa wenn in einem Land Rechtsmittel nur noch theoretisch, aber nicht mehr praktisch existieren.
Redaktion beck-aktuell, 19. Oktober 2017 (dpa).
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