Untersuchungshaft darf nicht zu lang dauern
Die Justiz ist verpflichtet, Verfahren gegen Untersuchungs-Häftlinge möglichst schnell voranzutreiben. Andernfalls kommen Betroffene nach einer gewissen Zeit aus der Untersuchungshaft frei, auch wenn die Vorwürfe gegen sie nicht ausgeräumt sind. Eine starre Obergrenze gibt es bei Verstößen gegen dieses sogenannte Beschleunigungsgebot nicht. Generell soll eine Untersuchungshaft nicht länger als sechs Monate dauern. Wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen das rechtfertigen, ist eine Verlängerung aber möglich. In Untersuchungshaft landen nur Beschuldigte, die dringend tatverdächtig sind. In Betracht kommt dies vor allem bei Taten, für die eine Mindesthaftstrafe von einem Jahr gilt. Bei kleineren Delikten kommt es dazu in der Regel nicht.
Haftentlassungen wegen zu langer Verfahren vor allem in Thüringen und Sachsen
Die Deutsche Richterzeitung hatte bei den Justizministerien aller Bundesländer die Zahl der Haftentlassungen wegen zu langer Strafverfahren abgefragt. Die meisten Fälle gab es 2017 demnach in Thüringen (9), gefolgt von Sachsen (8). Dahinter lagen Berlin und Baden-Württemberg (jeweils 6) und Bremen (5). Im Saarland und Sachsen-Anhalt wurden jeweils drei solcher Fälle gemeldet, in Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein jeweils zwei. Hamburg habe einen einzigen Fall genannt. Lediglich in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern seien keine Tatverdächtigen wegen überlanger Verfahren aus der Untersuchungshaft freigekommen. Und Bayern habe mitgeteilt, dazu keine Statistik zu führen.
Aufwendige Strafverfahren
Der Deutsche Richterbund sieht mehrere Gründe für die Entwicklung. "Eine Rolle spielt sicher, dass Strafverfahren aufwendiger geworden sind", sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der Deutschen Presse-Agentur. Häufig richteten sich Ermittlungen gegen international verzweigte Tätergruppen, die auszuwertenden Datenmengen hätten sich vervielfacht. "In umfangreichen Strafsachen fallen nicht selten hunderte Stehordner und mehrere Terrabyte Daten an."
Personalmangel
Auch die angespannte Personalsituation in der Justiz spiele eine Rolle. "Die Arbeitsbelastung für Staatsanwälte und Strafrichter ist inzwischen enorm hoch", beklagte Rebehn. Gerade die Staatsanwaltschaften würden zusehends zum Nadelöhr bei der Strafverfolgung. Die Lage drohe, sich durch anstehende Pensionierungen zu verschärfen. Laut Richterbund gehen in den nächsten 15 Jahren etwa 40% aller Richter und Staatsanwälte in Bund und Ländern in den Ruhestand. Die schwarz-rote Koalition hat zudem 2.000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte in Bund und Ländern in Aussicht gestellt. Darüber wollen die Justizminister am 06. und 07.06.2018 neben anderen Themen bei ihrer Frühjahrskonferenz im thüringischen Eisenach beraten. Rebehn mahnte, die Ressortchefs müssten dringend die Weichen stellen, damit das zusätzliche Personal für die Justiz bald komme.