"Ich habe als Minister auch die Vermögensinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren", sagte Wissing. "Und wenn es die Möglichkeit geben sollte, jemanden in Regress zu nehmen, dann wäre es meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass diese Regressforderungen durchgesetzt werden und nicht einfach die Akten in den Keller gelegt werden."
Die Pkw-Maut – ein Prestigeprojekt der CSU in der damaligen Bundesregierung – war 2019 vom Europäischen Gerichtshof als rechtswidrig gestoppt worden (NJW 2019, 2369).
Die Betreiberseite forderte zunächst 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der Bund die Verträge kurz nach dem Urteil gekündigt hatte. Schließlich verständigte man sich vergleichsweise auf 243 Millionen Euro. Das Ministerium hatte bereits grundsätzlich angekündigt, mögliche Regressforderungen gegen Scheuer zu prüfen.
Wissing will möglichen Regress sorgfältig prüfen
"Das Gutachten wird es uns ermöglichen, mit gutem Gewissen zu sagen, aus welchem Grund in diesem konkreten Fall ein Regress möglich oder nicht möglich ist", sagte Wissing. "Dass ein Schaden entstanden ist, steht außer Frage. Den kann man ja präzise beziffern. Für eine rechtliche Verantwortung und damit einen Regress müssen aber noch weitere Voraussetzungen vorliegen. Diese soll das Gutachten herausarbeiten und dann prüfen, ob sie im konkreten Fall vorliegen."
Wissing sagte, natürlich brauche man für eine Regressforderung eine Rechtsgrundlage. "Das muss man sich anschauen. Aber ich möchte mich nicht dem Vorwurf aussetzen, das nicht mit aller Sorgfalt getan zu haben."
Regress gegen Scheuer gilt juristisch als schwierig
Eine Regressforderung gegen Scheuer gilt juristisch als schwierig.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags schrieb 2019 in einer Analyse, Art. 34 GG sehe die Möglichkeit des Staates vor, in Fällen von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Regress beim "handelnden Amtswalter" zu nehmen. Diese Möglichkeit bedürfe eines entsprechenden Gesetzes oder einer vertraglichen Grundlage.
Im Verhältnis zu Bundesbeamten habe der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen. Das für Bundesminister einschlägige Bundesministergesetz sehe jedoch keine solche Rückgriffsmöglichkeit vor.
Betreiberverträge vor endgültiger Klärung geschlossen
Scheuer war Minister, als die Maut 2019 platzte. Zentraler Knackpunkt war, dass dem Modell zufolge nur inländische Fahrer für Mautzahlungen voll bei der Kfz-Steuer entlastet werden sollten. In der Kritik stand dann auch, dass Scheuer die Betreiberverträge bereits Ende 2018 abgeschlossen hatte, noch bevor endgültige Rechtssicherheit beim EuGH bestand.
Mit dem Scheitern der Maut und den finanziellen Folgen befasste sich in der vergangenen Wahlperiode auch ein Untersuchungsausschuss des Bundestags. Die damalige Opposition warf Scheuer Verstöße gegen Haushalts- und Vergaberecht vor und warnte vor Millionenkosten. Scheuer wies alle Vorwürfe zurück. Wissing erteilte einem möglichen neuen Anlauf zu einer Pkw-Maut eine klare Absage.