Massenentlassung ohne Anzeige: Jetzt soll der EuGH entscheiden

Vor einigen Wochen deutete das BAG an, möglicherweise seine Rechtsprechung zur Frage zu ändern,  ob eine fehlende Massenentlassungsanzeige Kündigungen unwirksam macht. Der Sechste Senat sah das nicht so und fragte beim Zweiten an. Doch der hat nun den EuGH gebeten, Fragen zum Verfahren bei Massenentlassungen zu klären.

In dem Verfahren, das nach den höchsten deutschen Arbeitsrichterinnen und -richtern nun auch den EuGH beschäftigen wird, geht es um eine von mehreren betriebsbedingten Kündigungen, die im Zuge einer Massenentlassung ausgesprochen wurde, ohne dass die normalerweise nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige erstattet beziehungsweise nachgeholt worden wäre. Der für die Entscheidung in der Sache zuständige Sechste Senat des BAG wollte die Kündigungsschutzklage des Klägers vollumfänglich abweisen, sieht sich daran aber verfahrensrechtlich gehindert.

Währen der Zweite Senat bisher annimmt, dass eine ohne vorherige Massenentlassungsanzeige erklärte Kündigung nichtig sei, ist der Sechste Senat nun der Ansicht, dass das Fehlen oder die Fehlerhaftigkeit einer nach Unionsrecht oder nationalem Recht erforderlichen Massenentlassungsanzeige keinen Einfluss auf die Entscheidung über die Beendigung eines gekündigten Arbeitsverhältnisses habe. Vielmehr sollen seines Erachtens sowohl das Fehlen einer Massenentlassungsanzeige als auch deren Fehlerhaftigkeit gänzlich folgenlos bleiben. Er meint, es obliege dem deutschen Gesetzgeber, eine "Sanktion“ für Fehler im Anzeigeverfahren bei Massenentlassungen zu normieren. Diese dürfe nicht auf dem Gebiet des Arbeitsrechts, sondern müsse allein auf dem Gebiet des Arbeitsförderungsrechts liegen.

Der Sechste Senat hatte deshalb zunächst ein Anfrageverfahren nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG eingeleitet (Beschluss vom 14.12.2023- 6 AZR 157/22), das in Arbeitsrechtskreisen mit großem Interesse zur Kenntnis genommen wurde. Nun aber hat der Zweite Senat das Anfrageverfahren ausgesetzt und den EuGH ersucht, Fragen zur Auslegung der Richtlinie zur Angleichung von Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen zu beantworten (Beschluss vom 01.02.2024 – 2 AS 22/23). Allzu schnell dürfte eine von vielen Unternehmen erhoffte Erleichterung von Massenentlassungen in der Rechtsprechung des BAG also womöglich nicht kommen.  

BAG, Beschluss vom 01.02.2024 - 2 AS 22/23

Redaktion beck-aktuell, ak, 13. Februar 2024.