Marktmonitor: Wie entwickelt sich der Legal-Tech-Markt?
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Beim Legal Tech Day hat der Legal Tech Verband erste Ergebnisse einer Studie vorgestellt, die den Markt vermessen will. Sie zeigt: In Kanzleien würde kaum jemand investieren. Die Legal-Tech-Branche ist heterogen, bewegt sich ganz überwiegend im B2B-Bereich – und ist unterfinanziert.

Offiziell werden die Ergebnisse des Legal Tech Marktmonitors im Oktober veröffentlicht. Doch beim Legal Tech Day am Donnerstag in Berlin haben die Initiatoren bereits erste Erkenntnisse vorgestellt. Ziel der Studie ist es, den Markt messbar zu machen und erstmals fundierte Daten über die Legal-Tech-Landschaft in Deutschland zu erheben.

Für ihre Umfrage haben die Initiatoren ca. 300 Teilnehmende aus den Bereichen Kanzlei, Rechtsabteilung, Justiz und Legal Tech befragt, 50 Experten-Interviews durchgeführt und zahlreiche Daten über Legal-Tech-Player gesammelt.

Das typische Legal-Tech-Unternehmen ist mittelständisch und B2B

Der Monitor gibt Aufschluss sowohl über die Unternehmensstruktur der Legal-Tech-Anbieter als auch über deren Produkte, Zielgruppe und Finanzierung. Aktuell spielen laut der Studie etwa 300 Unternehmen eine Rolle in der Legal-Tech-Landschaft, etwa 175 davon auch in Deutschland.

Die Desk-Research habe gezeigt: Der Markt ist sehr heterogen, spezialisiert und bietet eine breite Palette an Produkten und Dienstleistungen an. Innerhalb der Unternehmen sind alle Altersgruppen und verschiedene akademische Hintergründe vertreten. So finden sich in den Unternehmen etwa 50% Juristinnen und Juristen, etwa 23% der Tech-Unternehmerinnen und Unternehmer haben einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund, etwa ebenso viele kommen aus dem Technik-Bereich.

Es gibt aber auch einige gemeinsame Nenner: So seien die Legal-Tech-Anbieter ganz überwiegend mittelständische Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden. Außerdem zeige sich, dass die Szene sehr männlich geprägt ist. Knapp 90% derjenigen, die ein Legal-Tech-Unternehmen gründen, sind Männer.

Im Rahmen der Umfrage wurden auch viele Legal-Tech-Anbieter befragt – unter anderem zu ihren Produkten. Die Ergebnisse zeichnen das Bild eines kleinteiligen Markts. Zu den häufigsten Produkten zählten Kanzlei- und Inhouse-Software, Recherchetools, Vertrags- und Dokumentenmanagement-Angebote, Compliancetools, Steuer- und Finanzsoftware sowie Auftragsentwicklungen für die Justiz. Über 80% der Befragten gaben dabei an, bereits mit KI zu arbeiten, insbesondere mit großen Sprachmodellen. Dabei dominierten die Anbieter OpenAI, Claude und LlaMa.

Auffällig bei der Recherche ist nach Angaben der Macher der Studie auch, dass mit etwa 70% der überwiegende Teil der Anbieter am Markt im B2B-Bereich operiert. An Verbraucherinnen und Verbraucher richten sich demnach nur etwas mehr als 25%. Einen kleinen – aber sehr finanzstarken – Anteil macht der B2G-Bereich, also Business to Government, aus.

Größte Herausforderungen: Kapital und Recruitment

Im Rahmen der Befragung interessierte sich der Legal Tech Verband auch für die aktuellen Herausforderungen und Sorgen der Legal-Tech-Anbieter. Hier nannten die Befragten neben Vertrieb (40%) und Produktentwicklung (35%) vor allem die Nachwuchsgewinnung als zentrale Herausforderung. Insbesondere, wenn es um technische Expertise geht, gestalte es sich schwierig, qualifiziertes Personal zu finden. Das gaben neben den Legal-Tech-Anbietern auch die Kanzleien und Rechtsabteilungen an. Aber auch juristisches Personal zu finden, sei nicht leicht. Hier scheinen es die Legal-Tech-Anbieter besser zu haben: Sie gaben seltener an, Probleme mit dem Recruitment im Jura-Bereich zu haben.

Ihre Geschäftslage beurteilten die befragten Legal-Tech-Anbieter überwiegend als gut, allerdings wurde deutlich, dass es der Branche an Kapital fehlt. Zwar gaben fast 50% der Befragten an, bewusst auf fremdes Kapital zu verzichten (Bootstrap), insgesamt ist der Kapitalbedarf dennoch hoch – und wird bei weitem nicht gedeckt. So teilten 40% der befragten Unternehmen mit, mehr als 500.000 Euro jährlich zu brauchen, während sie gleichzeitig im vergangenen Jahr nur zwischen 100.000 und 500.000 eingesammelt hatten. Öffentliche Förderung spielt kaum eine Rolle. Rund 61% der Anbieter steht gar kein fremdes Kapital zur Verfügung.

Investitionsbedarf sahen die Befragten aber nicht nur bei den Legal-Tech-Anbietern. Die Studie zeigte, dass mehr als 85% der Befragten glaubt, dass auch Kanzleien in Zukunft Kapitalbedarf für Legal-Tech-Innovationen haben werden. Gleichzeitig waren 83% nicht bereit, in Anwaltskanzleien zu investieren, auch wenn das Fremdbesitzverbot gelockert würde.

Schließlich gaben viele Befragte an, unzufrieden mit der Regulierung des Legal-Tech-Bereichs auf europäischer und deutscher Ebene zu sein. Das zog sich durch alle Branchen, von der Kanzlei bis zum Legal-Tech-Anbieter, wobei die Legal-Techs sich besonders oft negativ äußerten. Insbesondere die KI-Verordnung und die Regulierung im Datenschutzbereich waren unbeliebt. Auch das Vergaberecht nahmen viele als innovationshemmend wahr.

Justiz weniger digitalisierungsfreudig

Natürlich ist die Befragung von 300 Juristinnen und Juristen nicht repräsentativ, wenn es um Ansichten und Meinungen zum Thema Legal Tech geht. Das räumte auch der Autor der Studie, Dirk Hartung von der Bucerius Law School, ein. Ein Stück weit vermesse die Branche sich selbst.

Dennoch hatten die Studiendesigner auch einige Fragen zum Mindset der Teilnehmenden. Sie zeigten – nicht ganz überraschend – viel Einigkeit. So stimmten der Aussage "Ich glaube, die Digitalisierung von Rechtsdienstleistungen ist unumgänglich" sowohl Legal-Tech-Anbieter als auch Kanzleien und Rechtsabteilungen ganz überwiegend zu (mehr als 75% volle Zustimmung).

Lediglich die Befragten aus Justiz und Verwaltung waren etwas zurückhaltender. Sie hielten die Digitalisierung im Rechtsmarkt häufiger noch für abwendbar. Der Aussage: "Ich glaube, die Digitalisierung des Rechtsmarkts ist richtig", stimmten knapp 40% der Justiz-Angehörigen nicht zu – ganz im Gegensatz zum ganz überwiegenden Teil der Befragten aus Anwaltschaft, Rechtsabteilungen und dem Legal-Tech-Bereich, von denen mindestens 80% angaben, die Digitalisierung zu begrüßen.

Die kompletten Studienergebnisse werden voraussichtlich im Oktober 2024 veröffentlicht. In den kommenden Jahren will der regelmäßige Monitor so Trends und Dynamiken im Markt abbilden. Die Initiative für den Legal Tech Marktmonitor kommt vom Legal Tech Verband Deutschland, unterstützt wird die erste Ausgabe des Monitors vom Verlag C.H.BECK, zu dem auch beck-aktuell gehört, dem Legal Tech Colab und dem Bucerius Center on the Legal Profession.

Redaktion beck-aktuell, Denise Dahmen, 19. September 2024.