Presse: Maas will Gesetze im Hauruck-Verfahren unter Dach und Fach bringen
Auf der Zielgeraden droht dem SPD-Mann nun die Puste auszugehen. Drei umstrittene Projekte will der selbstbewusste, eloquente und stets makellos gekleidete Saarländer noch in dieser Wahlperiode unter Dach und Fach bringen, notfalls wohl im Hauruck-Verfahren: Gesetze gegen Hass und Hetze im Internet, zum Urheberrecht in der Wissenschaft und gegen Wohnungseinbrüche. Die Zeit ist knapp angesichts von nur noch drei Sitzungswochen des Bundestags. Mit Ablauf der Legislaturperiode im September wären die Entwürfe nichtig, auf gut Deutsch: Altpapier. Besonders brisant sind Maas' Vorstellungen im Kampf gegen “Hate Speech“. Per “Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ will er Soziale Netzwerke zwingen, hasserfüllte und hetzerische Beiträge schnell zu entfernen. Facebook, Twitter und Co. bekommen Löschfristen aufgebrummt: Offenkundig strafbare Inhalte sollen binnen 24 Stunden getilgt werden, in komplizierteren Fällen bleiben sieben Tage. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis zu 50 Millionen Euro.
Kritiker: Gründlichkeit muss vor Schnelligkeit gehen
Nicht nur Facebook wehrt sich. Wirtschaftsverbände, Juristen, Netzaktivisten, Journalisten und Nichtregierungsorganisationen warnen Maas vor Gefahren für die Meinungsfreiheit und vor einer Privatisierung der Rechtsdurchsetzung. Zudem fürchten viele, dass aufgrund der knappen Fristen und hohen Strafen Inhalte überhastet entfernt werden. “Im Gesetzentwurf fehlt zum Beispiel eine Definition, was bei Posts im Netz offensichtlich rechtswidrig oder nur erlaubte Schmähkritik ist“, sagte die grüne Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Renate Künast, der Deutschen Presse-Agentur. “Alles Stückwerk, großes Durcheinander.“ Vom Verband für Internetwirtschaft (eco) heißt es: “Gründlichkeit muss vor Schnelligkeit gehen.“
Wissenschaftlicher Dienst hält "Hate Speech"-Gesetz für grundrechtswidrig
Das könnte nun auch für Maas' Gesetzentwurf gelten, obwohl der in Teilen nachjustiert wurde. Im Bundestag hat der 50-Jährige nicht nur die Opposition aus Linken und Grünen gegen sich, sondern zunehmend auch den Koalitionspartner. Ein CDU-Abgeordneter fragte jetzt laut “Focus“ beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages nach. Die Sachverständigen kamen in ihrem Gutachten demnach zu dem Ergebnis, dass Maas' Entwurf gegen Grundgesetz und Europarecht verstoße. Zwar sagte eine Maas-Sprecherin am Wochenende : “Unsere Gesetze werden im Haus selbstverständlich auf Konformität mit Verfassung und Europarecht geprüft.“ Doch juristische Zweifel kommen längst von verschiedenen Seiten. Der stellvertretende Fraktionschef der Union im Bundestag, Arnold Vaatz, ärgert sich: “Heiko Maas hat - zum wiederholten Male - handwerklich nicht sauber gearbeitet und ein unausgereiftes Gesetz vorgelegt.“
Auch beim Urheberrecht für die Wissenschaft hagelt es Kritik
Eine breite Front hat sich in jüngster Zeit auch gegen die Maas-Reform des Urheberrechts für die Wissenschaft gebildet. Es soll gelockert werden, damit digital verfügbare Materialien in Forschung und Lehre, Schulen und Bibliotheken unkomplizierter nutzbar sind. Einerseits soll Rechtssicherheit für Nutzer, Urheber und Verlage geschaffen werden, andererseits das Interesse der Urheber und Verlage an der Verwertung ihrer Werke berücksichtigt bleiben - so der Plan. Während die Hochschulen Maas applaudieren, etwa weil künftig keine Einzelabrechnungen von Online-Lehrmaterial festgeschrieben werden, laufen Autoren und Verlage Sturm gegen Eingriffe in ihre Rechte. Auch aus der Union kamen zuletzt skeptische Töne. Der Gesetzentwurf werde “noch intensiv beraten“, sagte Fraktionschef Volker Kauder. Viele Verlage hätten es wirtschaftlich nicht leicht. “Neue Einnahmequellen im digitalen Geschäft dürfen nicht kaputt gemacht werden“, ein fairer Interessenausgleich sei “bisher nicht gelungen“. Das ging gegen Maas.
Künast: Maas zeigt sich nicht als Wahrer der Grundrechte
Am wenigsten Sorgen muss sich der Justizminister um sein Gesetz gegen Wohnungseinbrecher machen. Der zuletzt auf Unions-Druck verschärfte Entwurf wurde bei der ersten Lesung im Bundestag lediglich von der Opposition zerpflückt. Datenschützer sehen aber gleichfalls kritisch, dass damit Einbrüche in Privatwohnungen auf die Liste jener Delikte kommen, bei denen Ermittler die sogenannte Vorratsdatenspeicherung nutzen dürfen. Bislang ist das nur bei Straftaten wie Bildung terroristischer Gruppen, Mord oder sexuellem Missbrauch möglich. Auch dieser Gesetzentwurf lässt für die Grünen-Rechtsexpertin Künast daher nur ein Urteil über den Minister zu: “Maas hat sich in seinen vier Jahren nicht als Wahrer der Grundrechte erwiesen. Der Rechtsstaat wird von ihm nicht verteidigt, sondern geschleift.“