Die Hinterbliebenen einer ermordeten Mutter dürfen grundsätzlich auch den Fahrdienst in die Haftung nehmen, dessen Fahrer den Mörder zum Tatort gebracht hatte. Das Bundesbezirksgericht für den Staat Connecticut wies den Abweisungsantrag des Fahrdienstleisters Lyft zurück und bejahte immerhin die Möglichkeit einer deliktischen Haftung. Das Verfahren kann nun mit der Beweisaufnahme beginnen (US DC Conn., Beschluss vom 15.08.2025 - No. 3:25-cv-0007).
Im Dezember 2022 beförderter ein Lyft-Fahrer den späteren Mörder der 40-Jährigen zu ihrem Wohnort. Der Fahrgast soll vor der Fahrt "in aller Öffentlichkeit" eine "große Axt" bei sich gehabt und sich auch bereits "gefährlich verhalten" haben ("looked and acted like he was dangerous"). Der Fahrer habe ihm während der Fahrt einen Zwischenstopp erlaubt, bei dem der Mann sich Spirituosen und Utensilien gekauft haben soll, die er später "für seine schreckliche Tat verwenden" würde. Vor Ort erschlug er die dreifache Mutter mit der Axt, die vor den Augen ihrer damals drei- und siebzehnjährigen Söhne verstarb. Im Mai 2025 wurde der Täter infolge eines Deals zu 40 Jahren Haft verurteilt.
Mit einer Zivilklage richteten sich die Erben nun gegen den Fahrdienstleister Lyft wegen widerrechtlicher Tötung ("wrongful death") und Fahrlässigkeit ("negligence"). Die Gefahr sei – so die Kläger – für den Fahrer vorhersehbar gewesen, wobei dieser die Situation unter anderem durch den Zwischenstopp noch verschlimmert habe. Lyft sei dadurch mittelbar - und durch die fehlenden Sicherheitsschulungen der Fahrer auch unmittelbar - verantwortlich. Lyft beantragte dagegen die sofortige Abweisung ("Motion to dismiss"), da eine Haftung von vornherein fernliege. Das Bundesbezirksgericht sah nach summarischer Prüfung durchaus Gründe für eine Haftung und wies den Antrag zurück.
Haftung aus Gefahrerhöhung
Das Gericht stellte eingangs klar, dass es keine grundsätzliche zivile Verpflichtung zum Schutz Dritter gebe. Vor diesem Hintergrund habe Lyft argumentiert, dass der Fahrer nicht etwa wegen einer persönlichen Nähe zum Opfer zur Verhinderung von Schäden verpflichtet gewesen sei - ähnlich der Garantenstellung im deutschen Recht. Eine widerrechtliche Tötung entfalle daher von vornherein.
Das Gericht sah dies anders: So komme vielleicht keine Verletzung einer positiven Pflicht ("affirmative duty") durch Unterlassen in Betracht, sehr wohl habe der Fahrer aber durch sein eigenes Verhalten eine vorhersehbare Gefahr geschaffen bzw. gesteigert. Haftungsgrund sei daher gerade nicht das fehlende Einschreiten in eine laufende Straftat, sondern die ersichtliche Erhöhung der vom Täter ausgehenden Gefahr.
Damit könne auch eine unmittelbare Haftung Lyfts wegen nachlässiger bzw. unterbliebener Mitarbeiterschulungen ("negligent training") greifen, so das Gericht. Lyft hatte hier behauptet, eine solche Haftung komme nur in Betracht, wenn die in Rede stehende Tat auch durch Angestellte begangen werde.
Im Ergebnis seien Fragen einer vermeintlichen rechtlichen Pflicht jedoch besonders "faktenintensiv" und könnten – so der Richter – erst im nun bevorstehenden Beweisverfahren ausreichend behandelt werden.