Landtag muss Mitglieder des Notausschusses selbst wählen

Das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht hat entschieden, dass der Landtag durch die Verfassungsänderung zur Einrichtung des Notausschusses nicht gegen die Rechte einer fraktionslosen Abgeordneten verstoßen hat. Allerdings würde es dem Demokratieprinzip widersprechen, wenn die Mitglieder des Ausschusses allein von den Fraktionen benannt würden. Deshalb sei Artikel 22a der Landesverfassung so auszulegen, dass die Mitglieder durch den Landtag gewählt werden müssen.

In erster Linie repräsentative Demokratie

Zunächst stellten die Verfassungsrichter klar, dass auch der verfassungsändernde Gesetzgeber Beschränkungen unterliege. Dabei sei eine Verfassungsänderung "verfassungswidriges Verfassungsrecht", wenn sie gegen den Kernbestand der identitätsstiftenden und -sichernden Grundentscheidungen der Landesverfassung verstoße. Eine dieser Grundentscheidungen sei das Demokratieprinzip. Dabei sei Demokratie im Sinn der Landesverfassung – trotz plebiszitärer Elemente – in erster Linie repräsentative Demokratie. Der Landtag als unmittelbares Repräsentationsorgan des Volkes erfülle seine Funktion in der Regel in seiner Gesamtheit, das heißt durch die Mitwirkung aller seiner Mitglieder. Erst durch die Teilnahme aller Abgeordneten an der Arbeit des Landtags werde Demokratie lebendig. Diese hätten dabei grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten.

Notausschuss kein Verstoß gegen das Demokratieprinzip

Die durch eine Verfassungsänderung vorgesehene Einrichtung und das Tätigwerden des Notausschusses verstoßen laut Verfassungsgericht dabei nicht gegen das Demokratieprinzip. Das Abstimmungsrecht der Antragstellerin im Landtag werde damit zwar eingeschränkt. Diese Einschränkung sei aber dadurch gerechtfertigt, dass mit dem Notausschuss die Funktionsfähigkeit des Landtags unter Berücksichtigung der Mehrheitsverhältnisse im Plenum sichergestellt werden soll. Dabei handele es sich ebenfalls um Verfassungswerte. Zu deren Sicherung sei die Schaffung des Notausschusses auch keine unverhältnismäßige Maßnahme. Eine gleichermaßen geeignete, die Abgeordnetenrechte weniger beeinträchtigende Maßnahme sei nicht erkennbar. Das Tätigwerden des Notausschusses als Notparlament sei darüber hinaus an enge Voraussetzungen geknüpft sowie zeitlich und inhaltlich begrenzt, stellten die Richter weiter klar. Der Notausschuss dürfe insbesondere weder die Verfassung ändern, noch ein konstruktives Misstrauensvotum abhalten oder anstelle des Landtags Wahlen durchführen.

Keine Bedenken gegen Verfahren zur Besetzung

Auch das Verfahren zur Besetzung des Ausschusses ist nach Ansicht der Verfassungsrichter verfassungsgemäß. Die Landesverfassung könne und müsse im Hinblick auf das Demokratieprinzip nämlich so ausgelegt werden, dass nicht allein die Fraktionen über die Besetzung des Notausschusses bestimmen dürfen. Anders als bei normalen Arbeits- oder Fachausschüssen müsse darüber der Landtag selbst durch eine Wahl entscheiden. Nur dadurch erhalte der Notausschuss bei möglicher Mitwirkung aller Abgeordneten an dem Wahlakt diejenige demokratische Legitimation, die er wegen seiner besonderen Stellung als Notparlament benötige, so das Gericht abschließend.

LVerfG SchlH, Urteil vom 25.03.2022 - 25.03.2022 LVerfG 4/21

Redaktion beck-aktuell, 29. März 2022.

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