Pauschale Mittelzuweisung statt Straßenbaubeiträgen für Anlieger
Im Juni 2019 hat der Landesgesetzgeber die Straßenbaubeiträge für Anlieger abgeschafft und zugleich bestimmt, dass das Land den Gemeinden für die in 2018 und 2019 begonnenen Straßenbaumaßnahmen die weggefallenen Einnahmen in der Höhe ersetzt, in der sie Straßenbaubeiträge hätten festsetzen können. Mit Gesetz vom 09.04.2020 wurde die Kompensation für den Wegfall der Straßenbaubeiträge für Baumaßnahmen ab dem 01.01.2020 geregelt. Danach erfolgt ab dem Jahr 2020 jährlich eine pauschale Mittelzuweisung an die Gemeinden. Der insgesamt an die Gemeinden zu verteilende Betrag beläuft sich bis 2024 auf jährlich 25 Millionen Euro und ab 2025 auf jährlich 30 Millionen Euro. Der Gesamtbetrag wird auf die Gemeinden nach dem Verhältnis der von ihnen zu unterhaltenden Straßen und Wege (Straßenlänge, Art der Straße) verteilt. Die Jahrespauschale zahlt das Land den Gemeinden jeweils zum 30. Juni eines Jahres aus. Sie kann über mehrere Haushaltsjahre angespart werden.
Beschwerde für Jahre 2018 und 2019 unzulässig
Die Stadt Grevesmühlen macht mit ihrer Verfassungsbeschwerde in erster Linie eine Verletzung des Konnexitätsprinzips nach Art. 72 Abs. 3 Landesverfassung M-V (LV) geltend. Danach können die Gemeinden und Kreise durch Gesetz zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden, wenn dabei gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten getroffen werden. Führt die Erfüllung dieser Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden und Kreise, so ist dafür ein entsprechender Ausgleich zu schaffen. Laut LVerfG ist die kommunale Verfassungsbeschwerde unzulässig, soweit sie die Ausgleichsreglungen für die Jahre 2018 und 2019 betrifft. Die Beschwerdeführerin habe nicht darlegen können, dass ihr für diesen Zeitraum eine Mehrbelastung verbleibt, die durch das Land nicht ausgeglichen wird. Denn für diese Jahre ersetze das Land konkret die Ausfälle, die die jeweilige Gemeinde aufgrund ihrer Satzung als Straßenbaubeiträge gegenüber den Anliegern hätte festsetzen können.
Pauschale für Ausfälle ab 2020 beruht auf tragfähiger Prognose
Hinsichtlich der Regelung ab 01.01.2020 sei die kommunale Verfassungsbeschwerde unbegründet. Eine Verletzung des in Art. 72 Abs. 3 Landesverfassung enthaltenen strikten Konnexitätsprinzips könne nicht festgestellt werden. Der Ausgleich für die Abschaffung der Straßenbaubeiträge konnte laut LVerfG durch eine pauschale Reglung getroffen werden, da der Bestimmung der Pauschale eine tragfähige Prognose zugrunde liege. Diese habe vor allem auf den Gesamteinnahmen der Kommunen durch Straßenbaubeiträge in der Vergangenheit beruht.
Rückgriff auf Durchschnittswert von Daten aus der Vergangenheit rechtens
Da lediglich die Finanzierung einer bisher schon vorhandenen und unveränderten Aufgabe geändert wurde, habe der Landesgesetzgeber bei der anzustellenden Prognose über künftige Mehrbelastungen grundsätzlich auf Daten aus der Vergangenheit und deren Durchschnittswert zurückgreifen dürfen, so das LVerfG. Zudem habe der Gesetzgeber diesen Wert nicht statisch übernommen, sondern einen deutlich darüber liegenden Gesamtbetrag für den pauschalen Ausgleich der Mehrbelastungen festgesetzt, der zum Beispiel auch Kostensteigerungen abdecken kann. Die Verteilung des Gesamtbetrages an die einzelnen Gemeinden verstoße ebenfalls nicht gegen Verfassungsrecht. Sie erfolge willkürfrei und im Rahmen sachlich vertretbarer Differenzierung.