Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat am 14.02.2019 beschlossen, ein Verfahren, in dem es um SGB-II-Leistungen für Unionsbürger geht, dem EuGH vorzulegen. Konkret geht es um den in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 c) SGB II enthaltenen Leistungsausschluss für EU-Bürger, die sich in Deutschland aufhalten und allein über ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht verfügen. Das LSG selbst hält den Leistungsausschluss für europarechtswidrig (Az.: L 19 AS 1104/18).
Jobcenter verweigerte polnischem Mann SGB-II-Leistungen
Das beklagte Jobcenter Krefeld verweigerte dem polnischen Kläger diese Leistungen. Da er sich lediglich zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalte, beziehungsweise nur über ein von demjenigen seiner Kinder zu Ausbildungszwecken abgeleitetes Aufenthaltsrecht verfüge, sei er nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 c) SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen.
SG und LSG sehen Verstoß gegen EU-Recht
Demgegenüber ging das Sozialgericht Düsseldorf davon aus, dass dieser Leistungsausschluss gegen europäisches Recht verstoße und verurteilte den Beklagten zur Erbringung der begehrten Leistungen. Das LSG hat sich dieser Auffassung angeschlossen.
Freizügigkeitsverordnung verletzt
Der Kläger habe ein aus den Aufenthaltsrechten seiner Kinder im Sinne des Art. 10 VO (EU) 492/2011 (FreizügigkeitsVO) abgeleitetes Aufenthaltsrecht, erläutert das LSG. Er sei vor und während ihres regelmäßigen Schulbesuchs als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen und habe die elterliche Sorge für diese tatsächlich wahrgenommen. Bei dieser Konstellation werde durch den Leistungsausschluss im deutschen Recht der europarechtliche Grundsatz verletzt, wonach EU-Mitgliedstaaten Unionsbürger grundsätzlich gleich, das heißt wie Inländer, zu behandeln haben.
LSG hält Ausnahmen für unzulässig
Inwieweit davon Ausnahmen zulässig seien, sei in der nationalen Rechtsprechung umstritten. Nach Überzeugung des LSG lässt das Europarecht in diesem Fall keine Ausnahme von dem Diskriminierungsverbot zu. Der
EuGH soll vor diesem Hintergrund nun im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens klären, ob der Leistungsausschluss von Unionsbürgern, die über ein Aufenthaltsrecht aus
Art. 10 VO (EU) 492/2011 verfügen, im deutschen Recht gegen das unionsrechtliche Gleichbehandlungsgebot verstößt und damit wegen des Anwendungsvorrangs europäischer Vorschriften keine Wirkung entfaltet.
LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.02.2019 - L 19 AS 1104/18
Redaktion beck-aktuell, 25. Februar 2019.
Aus der Datenbank beck-online
LSG Nordrhein-Westfalen, Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses für EU-Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitssuche, NZS 2016, 116
EuGH, Ausschluss arbeitsuchender EU-Ausländer von Grundsicherungsleistungen, NZS 2015, 784
LSG Baden-Württemberg, Leistungsausschluss für EU-Ausländer ohne materielles Aufenthaltsrecht, NZS 2015, 759
SG Mainz, Verfassungs- und Europarechtswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, BeckRS 2015, 73163