Keine Vollwaisenrente bei Tod der Pflegeeltern

Ein Pflegekind, dessen Pflegeeltern verstorben sind, hat keinen Anspruch auf eine Vollwaisenrente, wenn seine leiblichen Eltern noch leben. Dies hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfahlen entschieden und das Urteil der Vorinstanz geändert. Anderenfalls hätte ein Pflegekind Anspruch sowohl auf Vollwaisenrente als auch auf Unterhalt gegen die leiblichen Eltern, was dem gesetzgeberischen Willen widerspräche.

Nach Tod der Pflegeeltern Vollwaisenrente begehrt

Der Kläger kam nach der Geburt zu Pflegeeltern. Seine leiblichen Eltern leben noch. Nach dem Tod des Pflegevaters gewährte ihm der beklagte Rentenversicherungsträger eine Halbwaisenrente. Nach dem Tod der Pflegemutter beantragte der Kläger eine Vollwaisenrente. Der gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten gerichteten Klage gab das Sozialgericht Düsseldorf statt. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein.

LSG: Kein Anspruch auf Vollwaisenrente

Die Berufung hatte Erfolg. Das LSG hat das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vollwaisenrente. Ein solcher setze nach § 48 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI voraus, dass das Kind keinen Elternteil mehr habe, der – ungeachtet der wirtschaftlichen Verhältnisse – unterhaltspflichtig sei. In diesem Sinne sei der Kläger keine Vollwaise, da seine dem Grunde nach unterhaltspflichtigen leiblichen Eltern noch lebten.

Wegen noch lebender leiblicher Eltern keine Vollwaise

Da Pflegekinder gegenüber Pflegeeltern nicht unterhaltsberechtigt seien, stelle § 48 Abs. 3 Nr. 1 SGB VI sie zwar mit leiblichen Kindern (und Adoptivkindern) insoweit gleich, als sie grundsätzlich Waisenrente nach dem Tod von Pflegeeltern(teilen) beanspruchen könnten. Die davon losgelöste Frage, wann ein Kind den Status einer Halbwaise und wann denjenigen einer Vollwaise habe, beantworte sich hingegen ausschließlich nach den Vorgaben des § 48 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB VI und daher nur mit Blick auf die unterhaltspflichtigen leiblichen Eltern. Zwar könne ein Kind mehr als zwei Elternteile im Sinn des § 48 SGB VI haben (zum Beispiel leibliche Eltern und Pflegeeltern), jedoch nur dann Vollwaise sein, wenn kein unterhaltspflichtiger Elternteil mehr vorhanden sei.

Doppelte Absicherung widerspräche gesetzgeberischem Willen

Es entspreche erkennbar nicht dem gesetzgeberischen Willen, dass Pflegekinder nach Versterben beider Pflegeelternteile sowohl ein Anspruch auf Vollwaisenrente als auch grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch gegen die leiblichen Eltern zustehe und sie somit doppelt abgesichert seien, während leibliche Kinder, die in der Herkunftsfamilie gelebt haben, nur dann Anspruch auf Vollwaisenrente haben, wenn ihnen die Möglichkeit genommen sei, einen Unterhaltsanspruch dem Grunde nach gegen einen unterhaltspflichtigen Elternteil geltend zu machen, weil beide dem Grunde nach unterhaltspflichtigen Elternteile verstorben seien.

LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.06.2022 - L 14 R 693/20

Redaktion beck-aktuell, 21. September 2022.