LSG Niedersachsen-Bremen: Patientin muss sich an Behandlungskosten für gerissenes Brustimplantat beteiligen

Patienten müssen sich an den Kosten einer Behandlung beteiligen, wenn die Krankheitsursache in willkürlichen Veränderungen des eigenen Körpers liegt. Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen unter Hinweis darauf entschieden, dass das Solidarprinzip der Krankenversicherung nicht grenzenlos ist (Beschluss vom 28.01.2019, Az.: L 16 KR 324/18, BeckRS 2019, 669).

Krankenkasse begehrte Kostenbeteiligung

Geklagt hatte eine 46-jährige Frau, die eine schönheits-chirurgische Brustvergrößerung als Privatbehandlung hatte durchführen lassen. Sechs Jahre nach dem Eingriff kam es zu Rissen an einem Silikonimplantat und zu einer Brustentzündung. Die Frau ließ die Implantate durch neue ersetzen, die sie ebenfalls privat bezahlte. 6.400 Euro für die Entnahme der alten Implantate trug zunächst die Krankenkasse. Von der Frau forderte sie eine Beteiligung von 1.300 Euro, da das Gesetz eine Kostenbeteiligung von Versicherten bei Folgeerkrankungen nach ästhetischen Operationen zwingend vorsehe.

Brustimplantate "gesellschaftlich etablierter ästhetischer Standard"?

Die Frau hielt dies für verfassungswidrig. Nach ihrer Ansicht hat die Entwicklung der Schönheitschirurgie dazu geführt, dass Brustimplantate völlig normal und üblich seien. Es sei gesellschaftlich etablierter ästhetischer Standard, sich hübsch, sexy und begehrenswert zu präsentieren. Abweichungen würden als Makel und psychische Beeinträchtigung empfunden. Außerdem sei die Zahl der Krankheitsfälle nach schönheitschirurgischen Eingriffen deutlich geringer als nach Sport-, Freizeit- oder Sexunfällen.

LSG: Medizinische Erforderlichkeit entscheidend

Dieser Sichtweise vermochte sich das LSG nicht anzuschließen. Grundsätzlich zahle die Krankenkasse notwendige Leistungen nach dem Solidarprinzip ohne Rücksicht auf die Krankheitsursachen. Der Gesetzgeber habe jedoch Ausnahmen bei ästhetischen Operationen, Tätowierungen und Piercings geregelt. Dies sei verfassungsrechtlich zulässig, um die Solidargemeinschaft vor unsolidarischem Verhalten Einzelner zu schützen. Ob die Inanspruchnahme der Schönheitschirurgie mittlerweile normal sei, spiele keine Rolle. Entscheidend sei allein, dass diese Behandlungen medizinisch nicht erforderlich seien. Gemessen am Grad des Verschuldens und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Frau sei eine Kostenbeteiligung in Höhe der steuerlichen Belastungsfreigrenze angemessen.

LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.01.2019 - L 16 KR 324/18

Redaktion beck-aktuell, 18. Februar 2019.

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