Mietübernahme als Sozialhilfe für Häftling

Kommt ein Sozialhilfeempfänger ins Gefängnis, so kann das Sozialamt unter Umständen verpflichtet sein, die Miete während der Haftzeit weiter zu übernehmen. Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im Fall eines Mannes entschieden, der wegen einer Persönlichkeitsstörung besonders auf eine Rückkehr in eine vertraute Wohnung angewiesen war. Es komme allerdings immer auf den jeweiligen Einzelfall an, so die Richter.

Mietübernahme während Haftzeit beantragt

Konkret ging es um die Übernahme der Miete für einen Mann, der wegen einer instabilen Persönlichkeitsstörung und Alkoholismus unter Betreuung steht. Der 43-Jährige wohnt seit 2005 in einer Zweizimmerwohnung, deren Kaltmiete von 225 Euro das Jobcenter übernommen hatte. 2014 musste der Mann eine rund siebenmonatige Freiheitsstrafe antreten. Er beantragte beim Sozialamt die Übernahme der Mietkosten während der Haftzeit. Das Amt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass die Haftzeit sechs Monate überschreite. Nach der Entlassung könne sich der Betreuer um eine neue Wohnung kümmern.

LSG: Besondere Angewiesenheit auf vertraute Wohnumgebung

Das LSG hat das Sozialamt zur Übernahme der Mietkosten verpflichtet. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei dem Mann seien durch drohenden Wohnungsverlust bei Haftentlassung besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten zu prognostizieren gewesen, die er nicht aus eigener Kraft habe überwinden können. Bei ihm bestehe eine instabile Persönlichkeit mit geminderter Frustrationstoleranz und Affektstörung. Es habe daher eine Verschärfung seiner Schwierigkeiten nach der Haftentlassung gedroht, sodass er jedenfalls geordnete Verhältnisse wie eine vertraute Wohnung vorfinden sollte.

LSG verweist auf "spürbare" Kosten bei Wohnungswechsel

Außerdem wären auch durch einen Wohnungswechsel spürbare Kosten angefallen, gibt das LSG zu bedenken. Daher könne eine seit fast zehn Jahren bewohnte Wohnung gehalten werden. Selbst wenn ein Wohnungswechsel zumutbar gewesen wäre, habe das Sozialamt es versäumt, dem Mann angesichts der relativ kurzen Haftstrafe die nötige schnelle Orientierungshilfe anzubieten. Da das Amt die Kostenübernahme rechtswidrig abgelehnt habe, müsse es nicht nur die Mietkosten, sondern auch die Kosten für die Verteidigung gegen eine Räumungsklage von rund 2.000 Euro tragen.

Prognose im Einzelfall entscheidend

"Ob die Miete übernommen werden muss, hängt immer von einer Prognose im Einzelfall ab", erläutert der Pressesprecher des LSG Niedersachsen-Bremen Carsten Kreschel. "Je näher die Entlassung rückt, desto konkreter kann ein Anspruch werden und je länger die Haft noch dauert, desto schwieriger wird es für die Betroffenen. Grundsätzlich gibt es aber keine starren Grenzen."

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 24.06.2021 - L 8 SO 50/18

Redaktion beck-aktuell, 9. August 2021.