LSG Nie­der­sach­sen-Bre­men: Grund­si­che­rungs­emp­fän­ger im Tren­nungs­jahr müs­sen Ei­gen­heim nicht ver­kau­fen

Grund­si­che­rungs­emp­fän­ger nach dem SGB II dür­fen wäh­rend des Tren­nungs­jah­res nicht auf die Ver­wer­tung ihres Haus­grund­stücks ver­wie­sen wer­den. Dies hat das Lan­des­so­zi­al­ge­richt Nie­der­sach­sen-Bre­men mit Ur­teil vom 31.05.2017 ent­schie­den. Denn eine Ver­wer­tungs­pflicht würde den Zweck des Tren­nungs­jahrs kon­ter­ka­rie­ren (Az.: L 13 AS 105/16, BeckRS 2017, 113736).

Klä­ge­rin hielt Ei­gen­heim-Ver­wer­tung im Tren­nungs­jahr für un­zu­mut­bar

Die Klä­ge­rin be­wohn­te ge­mein­sam mit ihrem Ehe­mann ein 98 Qua­drat­me­ter gro­ßes Rei­hen­haus. Ihr Mann bezog eine klei­ne Al­ters­ren­te, sie selbst hatte einen Mi­ni­job als Rei­ni­gungs­kraft und er­hielt auf­sto­cken­de Grund­si­che­rungs­leis­tun­gen durch den Land­kreis. Nach­dem sie dem Land­kreis ihren be­ab­sich­tig­ten Aus­zug und die Tren­nung von ihrem Ehe­mann mit­ge­teilt hatte, über­nahm die­ser die Kos­ten einer Miet­woh­nung. Die Leis­tun­gen wur­den je­doch nur als Dar­le­hen ge­währt, da vor­ran­gig das Haus­grund­stück als ver­wert­ba­res Ver­mö­gen für den Le­bens­un­ter­halt ge­nutzt wer­den müsse. Dem­ge­gen­über ver­trat die Klä­ge­rin die Auf­fas­sung, dass eine Ver­wer­tung un­zu­mut­bar sei. Denn so­lan­ge es un­ge­wiss sei, ob die Ehe end­gül­tig zer­rüt­tet sei und die Tren­nung dau­er­haft sei, müsse das Haus noch als Fa­mi­li­en­heim gel­ten. Sie habe sich in­zwi­schen mit ihrem Ehe­mann auch wie­der ver­söhnt und wohne im ge­mein­sa­men Haus. 

LSG: Wegen be­son­de­rer Härte re­gel­mä­ßig keine Ver­wer­tungs­pflicht

Das LSG hat ent­schie­den, dass wäh­rend des Tren­nungs­jah­res eine Ver­wer­tungs­pflicht im Re­gel­fall nicht be­steht. Zwar un­ter­fal­le ein Haus­grund­stück nach dem Aus­zug nicht mehr dem Schutz­be­reich der Selbst­nut­zung, je­doch stel­le eine Ver­wer­tung eine be­son­de­re Härte dar. Dies er­ge­be sich aus bür­ger­lich recht­li­chen Wer­tun­gen, denn eine Schei­dung vor Ab­lauf des Tren­nungs­jah­res sei nur im Aus­nah­me­fall mög­lich.

Ver­wer­tungs­pflicht würde Zweck des Tren­nungs­jahrs kon­ter­ka­rie­ren

Das Tren­nungs­jahr solle die Ehe­leu­te vor über­eil­ten Schei­dungs­ent­schlüs­sen be­wah­ren, die aus bloß vor­über­ge­hen­den Stim­mungs­la­gen und Kri­sen­si­tua­tio­nen re­sul­tier­ten. Diese Wer­tung des Ge­setz­ge­bers würde kon­ter­ka­riert wer­den, wenn durch eine Ver­wer­tung die Er­war­tung ge­gen­über dem an­de­ren Ehe­gat­ten ent­stün­de, die Woh­nung eben­falls als Le­bens­mit­tel­punkt auf­zu­ge­ben. Damit wäre der ehe­li­chen Le­bens­ge­mein­schaft be­reits vor Ab­lauf des Tren­nungs­jah­res die Grund­la­ge ent­zo­gen. Zu­gleich hat das LSG be­tont, dass die­ser be­son­de­re Schutz nach Ab­lauf des Tren­nungs­jah­res nicht mehr gelte.

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 31.05.2017 - L 13 AS 105/16

Redaktion beck-aktuell, 26. Juni 2017.

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