Göttinger "Transplantationsskandal": Leistungen müssen vergütet werden

Medizinisch notwendige Leistungen müssen auch dann vergütet werden, wenn falsche Daten an die Vergabestelle für Organtransplantationen (Eurotransplant) übermittelt wurden. Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen im Zusammenhang mit dem Göttinger "Transplantationsskandal" entschieden. Ein Arzt hatte in zwei Fällen eine höhere Dringlichkeit suggeriert und damit für ein Vorrücken der Patienten auf der Warteliste gesorgt. 

Krankenkasse begehrt Kosten für Transplantationen zurück

Geklagt hatte eine gesetzliche Krankenkasse, die vom Göttinger Universitätsklinikum rund 157.000 Euro für zwei Lebertransplantationen zurückforderte. Sie begründete ihre Rückforderung mit formellen Verstößen gegen das Transplantationsgesetz (TPG). Der behandelnde Arzt habe durch bewusste Falschangaben zu Dialysebehandlungen eine noch höhere Dringlichkeit der Transplantation suggeriert und dafür gesorgt, dass die Patienten auf der Warteliste vorgerückt seien. Eine streng formale Betrachtungsweise lasse den Vergütungsanspruch entfallen, da die Leistungen rechtswidrig zustande gekommen seien.

Klinik beruft sich auf fehlende Kenntnis von Verstößen

Dem hielt das Klinikum entgegen, dass die Transplantationen medizinisch notwendig waren und fachgerecht ausgeführt wurden. Die Patienten hätten ohnehin weit oben auf der Warteliste gestanden und kurzfristig ein Organangebot erhalten. Beide Patienten seien durch die transplantierten Lebern gerettet worden. Außerdem habe das Klinikum damals keine Kenntnis von dem Fehlverhalten des Arztes gehabt. Es finde keine Wissenszurechnung statt.

LSG lehnt auf Verstoß gegen Meldepflichten gestützte Rückforderung ab

Anders als die erste Instanz hat das LSG die Rechtsauffassung des Klinikums bestätigt. Die medizinische Indikation zur Transplantation sowie die Durchführung der Eingriffe nach den Regeln der ärztlichen Kunst seien gegeben. Unzutreffende Angaben gegenüber Eurotransplant ließen den Vergütungsanspruch nicht entfallen. Ein Verstoß gegen die Meldepflichten habe keinen Einfluss auf die Eignung der Transplantation. Ziel des TPG sei die bessere Organisation von Organspenden und die Sicherstellung von Verteilungsgerechtigkeit. Schutzzweck sei nicht die Qualitätssicherung der einzelnen Transplantation als solcher. Falschmeldungen mögen moralisch falsch sein. Dieses Verhalten durch Rückforderungen zu "ahnden" und damit einem Gerechtigkeitsempfinden Genüge zu tun, sei jedoch nicht die Aufgabe der Krankenkasse. Das LSG hat die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen.

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 18.01.2022 - L 16/4 KR 506/19

Redaktion beck-aktuell, 31. Januar 2022.