Erweiterte Kassenleistungen bei chronischer Müdigkeit

In zwei aktuellen Beschlüssen hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen die Versorgungssituation von Patienten mit Chronischem Fatigue-Syndrom (CFS) beleuchtet und eine gegenüber der bisherigen Versorgung erweiterte Leistungspflicht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bejaht. Dies sei erforderlich, weil für das CFS keine Standard-Therapien des GKV-Leistungskatalogs zur Verfügung stünden.

Krankenkasse versagte begehrte Bewilligung zweier Arzneimittel

Ausgangspunkt waren die Eilverfahren eines 55-jährigen Mannes, der durch zahlreiche Erkrankungen schwerbehindert und pflegebedürftig ist, insbesondere aufgrund der gesicherten Diagnose des CFS. Bei seiner Krankenkasse beantragte er die weitere Bewilligung der Arzneimittel Biomo-Lipon und Dekristol (Vitamin D). Die Kasse lehnt die Anträge ab, weil unter anderem die medizinisch-wissenschaftlichen Voraussetzungen für eine Verordnung nicht gegeben seien. Dem hielt der Mann entgegen, dass er mit seiner Grunderkrankung des CFS im System der GKV nicht hinreichend versorgt sei. Er benötige verschiedene Arzneimittel und Behandlungen, wobei etablierte Therapien kaum zur Verfügung stünden. Liponsäure und Vitamin D würden jedenfalls gegen die Symptome eines CFS helfen.

LSG verweist auf fehlende Standard-Therapien des GKV-Leistungskatalogs

Das LSG hat die Kasse vorläufig zur Leistung verpflichtet. Auch wenn die Leistungsvoraussetzungen der evidenzbasierten Medizin nicht erfüllt seien, müsse die Kasse die Präparate im Ausnahmefall einer schweren Erkrankung übernehmen. Das Gericht hat sich auf die Stellungnahme eines Sachverständigen gestützt, wonach für das CFS keine Standard-Therapien des GKV-Leistungskatalogs zur Verfügung stünden und in der Wissenschaft lediglich symptombezogenen Versorgungen diskutiert würden. Das LSG hat ferner auf die Antwort der Bundesregierung bezüglich einer kleinen Anfrage zur aktuellen Situation in Versorgung und Forschung zum CFS verwiesen, in der sich die aktuelle Hoffnungslosigkeit der therapeutischen Zugänglichkeit der Erkrankung dokumentiere. Daher könne im Ausnahmefall auch auf abgesenkte Evidenzmaßstäbe zurückgegriffen werden.

LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14.10.2022 - L 4 KR 373/22 B ER

Redaktion beck-aktuell, 21. November 2022.