Erhebliches Vermögen in Pandemiezeiten

Auch in der Pandemie dürfen Leistungen nach dem SGB II nicht an die Unterschreitung eines starren Vermögensfreibetrags geknüpft werden. Das vereinfachte Verfahren sieht vor, zugunsten einer schnellen Bewilligung von der Prüfung der Vermögenslage abzusehen, wenn kein erhebliches Vermögen vorhanden ist. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat nun entschieden, dass im Einzelfall hierfür geprüft werden muss, ob die Bewilligung offenkundig nicht als gerechtfertigt erscheint.

Freibetrag unterschritten

Eine Frau beantragte Hartz IV, obwohl ihr Girokonto ein Guthaben von 57.000 Euro aufwies. Die arbeitslose Juristin wohnte bei ihren Eltern und hatte bis zur Antragstellung Arbeitslosengeld I in Höhe von rund 64 Euro pro Tag bekommen. Außerdem erhielt sie Miete in Höhe von etwa 480 Euro monatlich. In dem coronabedingt vereinfachten Verfahren erklärte sie, über kein "erhebliches Vermögen" zu verfügen, da der Freibetrag unterschritten sei. Sie selbst hatte jedoch zuvor zwei Mal 2.000 Euro abgehoben und machte keine Angaben zur Verwendung. Nachdem das Jobcenter nach Vorlage ihres Kontoauszugs ihren Antrag abgelehnt hatte, wandte sie sich im Eilverfahren erfolglos an das Sozialgericht Hannover. Gegen dessen ablehnenden Beschluss wehrte sie sich vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen - ebenfalls ohne Erfolg.

Kein Anordnungsgrund

Nach Ansicht des Landessozialgerichts hat die Juristin im Eilverfahren keinen Anspruch auf die Grundsicherungsleistung. Sie könne abwarten, bis der Anspruch in der Hauptsache entschieden werde. Es sei ihr zuzumuten, bis dahin von ihrem Einkommen und Guthaben zu leben.

Wie hoch ist das erhebliche Vermögen?

Während der Corona-Pandemie soll nach § 67 Abs. 2 SGB II eine Vermögensprüfung bei Hartz-IV-Anträgen nur noch bei "erheblichem Vermögen" stattfinden. Die Agentur für Arbeit sah die Grenze in Anlehnung an § 21 Wohngeldgesetz erst bei einem Betrag in Höhe von 60.000 Euro überschritten, obwohl der Vermögensfreibetrag nach § 12 SGB II für die Antragstellerin nur 6.600 Euro (150 Euro pro Lebensjahr) vorsieht. Um dem Willen des Gesetzgebers gerecht zu werden und eine schnelle unbürokratische Hilfe zu gewähren, definieren die Celler Richter: Ein erhebliches Vermögen liegt vor, wenn im Einzelfall für jedermann offenkundig ist, dass die Bewilligung von existenzsichernden Leistungen nicht gerechtfertigt ist. Bei 57.000 Euro, die sofort verfügbar seien, springe es geradezu ins Auge, dass ein erhebliches Vermögen vorliege.

LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.01.2021 - L 7 AS 5/21 B ER

Redaktion beck-aktuell, 8. Februar 2021.