Anspruch auf Kostenerstattung für Kryokonservierung von Samenzellen

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) muss nicht bereits seit Erlass einer neuen Anspruchsnorm durch den Gesetzgeber 2019, sondern erst seit dem Erlass der Kryo-Richtlinie im Jahr 2021 die Kosten für das Einfrieren von Samenzellen übernehmen. Denn vor Erlass der Richtlinie hätten wesentliche Aussagen über die Voraussetzungen der Kryokonservierung als Sachleistung durch die GKV gefehlt, argumentiert das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen.

Kryokonservierung von Samenzellen

Zugrunde lag das Verfahren eines 35-jährigen Mannes, der im November 2019 in Österreich war, als bei ihm überraschend Schmerzen im Hoden auftraten. Er begab sich in eine Klinik und erhielt dort die Diagnose Hodenkrebs. Unverzüglich kehrte er nach Deutschland zurück um den Tumor in der Medizinischen Hochschule entfernen zu lassen. Da seine Zeugungsfähigkeit durch Operation und Chemotherapie gefährdet war und er sich Kinder wünschte, empfahlen ihm die behandelnden Ärzte zuvor eine Kryokonservierung von Samenzellen. Seinen Antrag auf Kostenübernahme für die Entnahme und Konservierung der Spermien lehnte die Krankenkasse ab. Sie führte dazu aus, dass zwar im Mai 2019 erstmals eine gesetzliche Grundlage für die Kostenübernahme geschaffen worden sei. Allerdings fehlte noch die erforderliche Richtlinie zur Umsetzung. Außerdem habe der Mann nicht den korrekten Beschaffungsweg eingehalten, da er den Antrag erst im Nachhinein gestellt habe. Auf eine "seelische Ausnahmesituation" könne er sich nicht stützen. Die Privatrechnungen über insgesamt rund 900 Euro könnten nicht erstattet werden.

Gesetzlicher Leistungsanspruch erst mit Richtlinie durchsetzbar

Anders als die erste Instanz hat das LSG eine Leistungspflicht der GKV verneint. Hierzu hat es ausgeführt, dass ein Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse nicht bereits mit Erlass einer neuen Anspruchsnorm durch den Gesetzgeber bestehe, da diese erst in Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Voraussetzungen, Art und Umfang der einzelnen Maßnahmen ausgestaltet werden müsse. Vor Erlass einer entsprechenden Richtlinie fehlten wesentlichen Aussagen über die Voraussetzungen einer Kryokonservierung als Sachleistung durch die GKV. Der gesetzliche Leistungsanspruch verdichte sich erst mit Erlass der Richtlinie zu einem durchsetzbaren Einzelanspruch. Angesichts des ausdrücklichen Verweises im Gesetz sei klar ersichtlich, dass es zur Umsetzung der Norm noch weiterer Schritte in Form der Kryo-Richtline bedurfte.

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14.10.2022 - L 16 KR 256/21

Redaktion beck-aktuell, 7. November 2022.