Oberarmstraffung kann ausnahmsweise Kassenleistung sein

Die Gesetzliche Krankenversicherung muss die Kosten für eine beidseitige Oberarmstraffung ausnahmsweise übernehmen, wenn der Hautüberschuss im Bereich der Oberarme so massiv ist, dass er das Erscheinungsbild entstellt. Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen entschieden.

Massiver Hautüberschuss im Bereich der Oberarme

Zugrunde lag das Verfahren einer 58-jährigen Frau. Diese war stark übergewichtig und hatte nach einer Schlauchmagenoperation bereits circa 50 Kilogramm Gewicht verloren. Es verblieb jedoch eine Fettverteilungsstörung mit massivem Hautüberschuss im Bereich der Oberarme. Die Krankenkasse der Frau lehnte die Kostenübernahme für eine Straffungsoperation ab, da es sich nach ihrer Auffassung um eine kosmetische Operation handele.

LSG: Ausnahmetatbestand der Entstellung greift

Das LSG hat die Krankenkasse zur Kostentragung verurteilt, obwohl die beteiligten Gutachter den Zustand der Oberarme nicht als Krankheit im medizinischen Sinne bewerten konnten. Es hat sich dabei auf den Ausnahmetatbestand der Entstellung gestützt. Nach persönlichem Augenschein hat das Gericht eine massive Asymmetrie des Erscheinungsbildes von Ober- und Unterarm festgestellt. Trotz unauffälliger, weitgeschnittener und lockerer Alltagskleidung habe die Kleidung im Bereich der Oberarme sehr eng angelegen, während sie sich im Bereich der Unterarme bewegt habe wie eine „Fahne im Wind“. Die Ellenbogen seien von einem eiförmigen, voluminösen Gewebeüberhang deutlich überdeckt worden. Dies sei als Entstellung zu bewerten, da es sich um eine körperliche Auffälligkeit von solcher Ausprägung handele, dass sie sich schon bei flüchtiger Bewegung in alltäglichen Situationen quasi im Vorbeigehen bemerkbar mache und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf die Betroffene führe.

Extrem seltener Ausnahmefall

"Entstellungen werden von der Rechtsprechung extrem selten festgestellt", erläutert Pressesprecher Carsten Kreschel. "Grundsätzlich sind Normabweichungen nur ausnahmsweise zu korrigieren und vorrangig zu tolerieren, denn Kosmetik bleibt Eigenverantwortung".

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.11.2020 - L 16 KR 143/18

Redaktion beck-aktuell, 4. Januar 2021.