Arztpraxen verwiesen auf späteren Termin
Eine Krankengeldbezieherin wollte am Tag des Ablaufs des attestierten Arbeitsunfähigkeitszeitraums einen Arzttermin zur Verlängerung vereinbaren. Ihre Anfrage für den gleichen Tag wurde abgelehnt, weil der Arzt in Urlaub sei. Der Vertretungsarzt konnte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit erst zwei Tage später bescheinigen. In einem weiteren, ähnlich gelagerten Verfahren, wurde die Versicherte telefonisch von ihrem Hausarzt aus organisatorischen Gründen auf einen späteren Termin verwiesen. Die jeweiligen Krankenkassen lehnten eine weitere Krankengeldzahlung ab, weil die Arbeitsunfähigkeit nicht lückenlos festgestellt worden sei.
LSG: Kassen müssen Krankengeld weiterzahlen
Das LSG Hessen hat den Versicherten in beiden Fällen Recht gegeben und die Krankenkassen zur Zahlung von Krankengeld verurteilt. Zwar müsse die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit spätestens am nächsten Werktag nach dem Ende der zuletzt festgestellten Arbeitsunfähigkeit ärztlich bescheinigt werden. Wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan habe, die ärztliche Bescheinigung zu erhalten, sei jedoch ausnahmsweise eine Bescheinigungslücke unschädlich.
"Arzt-Hopping" gesetzlich nicht erwünscht
Ein solcher Ausnahmefall liege vor, wenn der rechtzeitig vereinbarte Termin von der Arztpraxis verschoben worden sei. Gleiches gelte auch dann, wenn die Arztpraxis dem Versicherten nur einen späteren Termin anbiete. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn der Versicherte bereits am Morgen um einen Termin für den gleichen Tag nachfrage. Erhalte der Versicherte an diesem Tag dennoch keinen rechtzeitigen Arzttermin, so sei ihm nicht zuzumuten, einen anderen Arzt oder gar den ärztlichen Notdienst aufzusuchen. Ein "Arzt-Hopping" sei gesetzlich nicht erwünscht.
Kein Bemühen um Arzttermin auf Vorrat erforderlich
Ebenso könne von dem Versicherten nicht verlangt werden, dass er sich bereits Tage vorher "auf Vorrat" um einen Arzttermin bemühe. Dass der Arzttermin nicht rechtzeitig erfolge, falle in den genannten Konstellationen in die Sphäre des Vertragsarztes und sei damit der Krankenkasse zuzurechnen. Das LSG verwies zudem darauf, dass die AU-Richtlinie missverständlich formuliert sei, da sie den Vertragsärzten – entgegen der gesetzlichen Regelung – ausdrücklich eine zeitlich begrenzte Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeit erlaube. Eine daraus resultierende Fehlvorstellung von Vertragsärzten sei den Krankenkassen zuzurechnen, da diese als maßgebliche Akteure über den Gemeinsamen Bundesausschuss an der Formulierung der Richtlinie mitwirkten.