LSG Hessen erkennt Harnblasenkrebs eines Chemiefachwerkers als Berufskrankheit an

Eine durch regelmäßigen Kontakt mit  aromatischem Amin p-Chloranilin verursachte Krebserkrankung der Harnwege ist als Berufskrankheit anzuerkennen. In diesem Zusammenhang ist keine Mindestexpositionsmenge des Gefahrstoffs erforderlich. Dies hat das Hessische Landessozialgericht in Kassel mit Urteil vom 21.02.2017 entschieden (Az.: L 3 U 9/13).

Chemiefachwerker erkrankte an Harnblasenkrebs

Ein 1951 geborener Mann aus dem Wetteraukreis war über Jahrzehnte als Chemiefachwerker tätig. Hierbei war er unter anderem p-Chloranilin (einem aromatischen Amin) ausgesetzt. Im Jahr 2006 wurde bei ihm Harnblasenkrebs diagnostiziert. Die Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 1301 mit der Begründung ab, dass die krebserzeugende Wirkung von p-Chloranilin lediglich in Tierversuchen, nicht jedoch in epidemiologischen Studien bei exponierten Menschen nachgewiesen sei. Auch sei eine ausreichende Intensität der Einwirkung nicht nachgewiesen. Nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse kann keine Mindestdosis von p-Chloranilin für die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 1301 verlangt werden.

LSG: Krebserkrankung vorliegend als Berufskrankheit anzuerkennen

Das Landessozialgericht hat die Berufsgenossenschaft zur Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 1301 sowie zur Zahlung einer Verletztenrente verurteilt. Es sei nachgewiesen, dass der Chemiefachwerker über viele Jahre regelmäßigen Kontakt über die Haut und die Atemwege mit dem Gefahrstoff p-Chloranilin bei seiner beruflichen Tätigkeit hatte. Dies habe mit hinreichender Wahrscheinlichkeit seine Krebserkrankung verursacht. Einer Anerkennung einer Berufskrankheit stehe nicht entgegen, dass es sich bei p-Chloranilin um einen Gefahrstoff der Kategorie 2, nicht aber der Kategorie 1 der MAK-Werte-Liste handele. Ein entsprechendes Sachverständigengutachten habe ergeben, dass die Mehrzahl krebserzeugender aromatischer Amine nur deshalb nicht in die Kategorie 1 eingestuft werde, weil es keine entsprechenden Studien zum Nachweis der Wirkung auf Menschen gebe.

Keine Mindestexpositionsmenge des Gefahrstoffs p-Chloranilin erforderlich

Um von einem Ursachenzusammenhang in Bezug auf die Krebserkrankung ausgehen zu können, sei auch keine Mindestexpositionsmenge des Gefahrstoffs p-Chloranilin erforderlich, da es insoweit derzeit keinen wissenschaftlichen Konsens gebe. Für den Ursachenzusammenhang spreche zudem, dass der Kläger bereits im Alter von 55 Jahren an Harnblasenkrebs erkrankt sei, obgleich das mittlere Erkrankungsalter für Männer bei 72 Jahren liege. Zudem lägen außerberufliche Risiken nicht vor, da insbesondere der Kläger nicht geraucht habe und in seiner Familie Harnblasenkrebs nicht gehäuft vorkomme.

LSG Hessen, Urteil vom 21.02.2017 - L 3 U 9/13

Redaktion beck-aktuell, 4. Juli 2017.

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