Bezug von Elterngeld nicht sozialwidrig – auch nicht bei Armut

Wer in Elternzeit geht, obwohl die Familie dadurch in den Bürgergeldbezug fällt, handelt nicht per se sozialwidrig und muss das Bürgergeld auch nicht erstatten. Das LSG Hessen setzt die Hürde hoch: Für einen Missbrauch verlangt es, dass sich die Person erkennbar nicht um das Kind kümmert.

Ein verheirateter Mann mit drei Kindern ging nach der Geburt seiner jüngsten Tochter in Elternzeit. Schon mit seinem Gehalt war die Familie von Wohngeld und Kinderzuschlag abhängig, um über die Runden zu kommen. Mit Elterngeld statt seines Gehalts fiel die Familie in den Bürgergeldbezug. Das Jobcenter verlangte die Erstattung der geleisteten Zahlungen, weil es vermutete, der Mann habe die Arbeit missbräuchlich ruhen lassen. Sie glaube das vor allem, weil der Vater bei der Behörde zuvor (vergeblich) die Finanzierung eines Lkw-Führerscheins beantragt hatte, um nach der Elternzeit mehr verdienen zu können. Sowohl das SG Kassel als auch das LSG Hessen erteilten der Behörde eine Abfuhr.

Allein die Inanspruchnahme der Elternzeit ist dem LSG Hessen (Urteil vom 19.03.2025 – L 6 AS 111/23) zufolge nicht sozialwidrig und kann deshalb keine Erstattungspflicht nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB II auslösen. Zwar habe dieses Verhalten die Hilfebedürftigkeit nach § 7 SGB II erst herbeigeführt, aber der Gesetzgeber fördere die Elternzeit ausdrücklich. Ziel des Elterngeldes sei es, die Familie bei der Sicherung der Lebensgrundlage zu unterstützen und die Chancengleichheit von Mann und Frau zu fördern, wenn sich die Eltern vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern (s. BT-Drs. 16/1889).

Das LSG zieht aber eine Grenze: Eine Erstattungspflicht komme dann in Frage, wenn der Bezieher des Elterngeldes seine Erwerbstätigkeit missbräuchlich habe ruhen lassen – er sich also nicht vorrangig um seinen Säugling gekümmert habe. Im verhandelten Fall gebe es aber keinerlei Anhaltspunkte für einen solchen Missbrauch. Der fehlgeschlagene Plan, den Lkw-Führerschein zu machen, könne dafür nicht herangezogen werden, denn allein das Motiv der Inanspruchnahme der Elternzeit – ohne ein damit korrespondierendes nach außen tretendes Verhalten – begründe kein sozialwidriges Verhalten.

LSG Hessen, Urteil vom 19.03.2025 - L 6 AS 111/23

Redaktion beck-aktuell, rw, 3. Juni 2025.

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