LSG Niedersachsen-Bremen: Zuständigkeitsstreit zwischen Jobcenter und Sozialamt darf sich nicht zulasten des Hilfebedürftigen auswirken

Das Jobcenter des Landkreises Northeim ist vorläufig verpflichtet, einer 18-jährigen Auszubildenden eine Zusicherung für einen Umzug aus der Wohnung ihrer Mutter zu gewähren. Die Zusicherung hatte das Jobcenter ihr zuvor mit der Begründung verweigert, die junge Erwachsene habe die Kosten für die eigene Wohnung vorrangig aus Jugendhilfeleistungen des Sozialamtes des Landkreises Northeim zu bestreiten. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat mit Beschluss vom 02.02.2017 entschieden, dass der Zuständigkeitsstreit zwischen den Leistungsträgern auszutragen sei und sich nicht zulasten der Auszubildenden auswirken dürfe (Az.: L 11 AS 983/16 B ER) .

Umzug wegen wiederholter Eskalationen bei Streit mit Mutter 

Zwischen der jungen Auszubildenden und ihrer Mutter war es wiederholt zu heftigen Streitigkeiten bis hin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen, sodass im September 2016 sogar ein Polizeieinsatz erfolgte. Die junge Antragstellerin war daher bereits mehrfach vorübergehend bei einer Freundin oder in einer Jugendhilfeeinrichtung untergekommen. Die heimische Situation war wiederholt eskaliert, sodass auch die Jugendhilfe des Sozialamtes einen schnellstmöglichen Umzug in eine eigene Wohnung dringend empfahl.

Jobcenter hält Sozialamt als Träger der Jugendhilfe für zuständig

Das Jobcenter des Landkreises Northeim hatte dennoch in zwei Fällen Anträge auf Erteilung einer Zusicherung für den Umzug in eine angemessene Wohnung abgelehnt. Denn nach seiner Auffassung ist zur Sicherung des Lebensunterhalts der jungen Frau vorrangig das Sozialamt als Träger der Jugendhilfe zuständig. Auch eine Verpflichtung zur Übernahme der Kosten für eine angemessene Wohnung durch das Sozialgericht Hildesheim im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat das Jobcenter im Ergebnis nicht akzeptiert und stattdessen Beschwerde zum LSG erhoben.

LSG: Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht ausgeschlossen

Das LSG hat dem Grunde nach den Beschluss des SG Hildesheim bestätigt und das Jobcenter zur Übernahme der Unterkunftskosten für die Dauer von zunächst sechs Monaten verpflichtet. Die Gewährung von Leistungen der Jugendhilfe durch das Sozialamt schließe nicht ausnahmslos Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende aus, da die Leistungen keine identischen Zielsetzungen hätten. Auch der Bezug von BAföG-Leistungen stehe solchen Grundsicherungsleistungen nicht von vornherein entgegen, so das LSG.

Zuständigkeitsstreit darf nicht zulasten der Antragstellerin gehen

Aufgrund der mehrfach eskalierten Streitigkeiten mit der Mutter sei von einer Zerrüttung der Verhältnisse in der heimischen Wohnung auszugehen. Dies stelle schwerwiegende soziale Gründe dar, die ein unverzügliches Handeln erforderten und aufgrund derer die Auszubildende nicht mehr auf die Wohnung ihrer Mutter verwiesen werden könne. Sofern das Jobcenter die eigene Zuständigkeit ablehne, dürfe sich dieser Streit unter den beteiligten Leistungsträgern nicht zulasten der Antragstellerin auswirken. Vielmehr sei die endgültige Zuständigkeit im anschließenden Erstattungsstreit unter den Leistungsträgern zu klären, so das LSG.

LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 02.02.2017 - L 11 AS 983/16 B ER

Redaktion beck-aktuell, 22. März 2017.